Ein Gespräch über die Erfahrungen, die bis heute nachwirken
Das 30. Jubiläum der Wiedervereinigung verlief – einmal von der Corona-Pandemie ganz abgesehen – anders als frühere Jubel-Jubiläen: Nachdenklicher, selbstkritischer, ehrlicher.
„Die ersten Schritte“ Jennifer Hein mit ihrer Mutter in Thüringen 1976 – Foto © privat
Zu spüren war das Verwundern über die verbliebenen Unterschiede zwischen West und Ost und das Nachdenken über die Einstellungen und das Verhalten der Menschen, die unter so unterschiedlichen Bedingungen aufgewachsen sind und die ihre Prägungen mehr oder weniger deutlich an die nächste Generation weitergegeben haben – und was das für das Zusammenleben in einer „vereinigten“ Gesellschaft bedeutet.
Was hat das mit den Themen und Zielen der Stiftung „Zu-Wendung für Kinder“ zu tun?
Zweierlei:
1. Die Frage nach den Bedingungen kindlichen Aufwachsens, nach der „richtigen“ Gestaltung dieser Bedingungen und den daraus resultierenden Prägungen und ihre Bedeutung für das Zusammenleben in einer Gesellschaft steht im Mittelpunkt der Arbeit dieser Stiftung. Nicht zuletzt die Botschaft von der zentralen Rolle sicherer Bindung und liebevoller Beziehungen zwischen Kind und Eltern und/oder anderen vertrauten Personen. Ziel: eine bessere „Kinderwelt“.
2. Die Rückbesinnung auf die Umstände, die traumatisierenden ebenso wie die beschützenden, unter denen in der DDR Kinder und Jugendliche aufwuchsen und geprägt wurden, ist nicht nur bedeutsam für das Verständnis der fortdauernden Ost-West-Unterschiede, sondern stellt vor allem für die Menschen, die in diesem System groß wurden (und auch für ihre Nachkommen), eine ungeheure Herausforderung dar.
Wie die Menschen in einem ständigen, oft schmerzhaften und frustrierenden Dialog zwischen den Generationen die Verletzungen und Traumata der Vergangenheit aufzuarbeiten versuchen, steht in der dramatischen Zuspitzung der radikalen „Wende“ in vieler Hinsicht beispielhaft für die Auseinandersetzung auch in scheinbar problemlos funktionierenden, quasi harmonischen Gesellschaften, die dennoch nicht frei sind von Kälte und Vernachlässigung grundlegender Bedürfnisse gerade der Jüngsten.
Jennifer Hein, freie Mitarbeiterin der Stiftung „Zu-Wendung für Kinder“ und gebürtige Thüringerin versucht in einem intensiven Gespräch mit dem in der DDR aufgewachsenen Buch- und Blog-Autor Dr. phil. Udo Baer, u.a. Vorsitzender der Stiftung Würde, in der Auseinandersetzung mit dem eigenen Erleben diesen schmerzhaften Bewältigungsprozess zu beschreiben und gleichzeitig – sozusagen als „Operation am offenen Herzen“ – ein Stück weit voranzutreiben.
Hören Sie rein in das authentische Gespräch zwischen zwei ehemaligen betroffenen DDR-Bürgern. Lesen Sie die sehr persönlichen Schilderungen von Jennifer Hein und ihren Erfahrungen der frühen Kindheit, die dem Gespräch mit Udo Baer zugrunde liegt. Spüren Sie im Buch von Udo Baer „DDR-Erbe in der Seele: Erfahrungen, die bis heute nachwirken“ nach, welche seelischen Folgen die DDR durch autoritäre Erziehung, den Rückzug ins Private, das Leben in Scheinwelten, Überwachung, Flucht und Verlust der Heimat für Millionen Deutsche bis heute hat.
von Redaktion fürKinder
Links zum Thema
DDR-Erbe in der Seele – Erfahrungen, die bis heute nachwirken, Udo Baer, Beltz-Verlag
„DDR-Erbe in der Seele“, Kurzfassung der wesentlichen Aussagen zu Situationen und Ereignisse, die Menschen in der DDR als (Klein-)Kinder einerseits in Krippen, Erziehungsheimen etc., andererseits in familiärer Zugehörigkeit und Geborgenheit in vertrauten Gruppen und als Erwachsene erlebten, Dauer: 30 Min.
„DDR-Erbe in der Seele“, das Gespräch in voller Länge
DDR-Erbe in meiner Seele, Jennifer Hein, Einblick in den biographischen Hintergrund
Über die Macht der Weitergabe, 37Grad, ZDF.de, Dauer 2:44 Min.
20. Internationale Bindungskonferenz – Digital, Trauma und Bindung zwischen den Generationen – Vererbte Wunden und Resilienz in Therapie, Beratung und Prävention, Univ.-Prof. Dr. med. Karl Heinz Brisch, wissenschaftliche Organisation und Konferenzleitung, 10. September – 12. September 2021
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