Stress, Angst und Depression in der Schwangerschaft beeinträchtigen die fetale Hirnentwicklung. Eine US-Studie zeigt nun, wie sich die Hirnveränderungen im Mutterleib auf die geistigen Fähigkeiten im Kleinkindalter auswirken können.
Dr. Yao Wu und ihr Team vom Children’s National Hospital in Washington D.C. untersuchten die Zusammenhänge zwischen psychischer Belastung in der Schwangerschaft und der geistigen Entwicklung des Kindes.
97 Mutter-Kind-Paare auf der „Couch“ und im MRT
Für die Studie gewann das Forscherteam 97 Schwangere. Alle Frauen waren körperlich gesund, verfügten über ein gewisses Maß an Bildung und waren berufstätig.
Die psychische Belastung der werdenden Mütter erfassten die Forschenden mittels validierter Fragebögen für Stress (PSS-10), Angst (SSAI, STAI) und Depression (EPDS). Des Weiteren untersuchten sie den Entwicklungsstand des fetalen Gehirns mithilfe der Magnetresonanztomographie (MRT). Biochemische Veränderungen im fetalen Gehirn wurden mit der Protonen-Magnetresonanzspektroskopie (H-MRS) sichtbar gemacht.
18 Monate nach der Geburt untersuchten Psychologen die kognitive Entwicklung der Kinder mittels eines Standardtests (BSID-III), der Fähigkeiten wie Wahrnehmung, Motorik und Sprachentwicklung überprüft. Sozio-emotionale Fähigkeiten (Selbstregulation, Erkennen und Äußern eigener Gefühle etc.) und Verhaltensprobleme des Kindes wurden mittels eines standardisierten Fragenbogens (ITSEA) bei den Eltern erhoben. Außerdem beantworteten die Eltern einen Fragenbogen zu elterlichem Erziehungsstress (PSI-SF).
Geistige Entwicklungsverzögerung im Kleinkindalter hängt mit gestörter fetaler Hirnentwicklung zusammen
Die Studie bestätigte, dass Stress in der Schwangerschaft zu kognitiven Entwicklungsdefiziten im Kleinkindalter führen kann. Als mögliche organische Ursache ließ sich bei den betroffenen Ungeborenen ein verringertes Volumen des linken Hippocampus erkennen. Diese Gehirnregion nimmt eine wichtige Rolle beim Lernen und bei Gedächtnisleistungen ein.
Zudem fiel bei psychisch belasteten Müttern auf, dass sich die Hirnrinde beim Fetus vorzeitig in Falten legte. Diese vorzeitige Hirnfaltung stand wiederum in Verbindung mit unterentwickelten sozio-emotionalen Fähigkeiten des Kleinkinds im 18. Lebensmonat.
Pränatale Angstzustände, Stress und Depression wirkten sich zudem auf alle Aspekte des Erziehungsstress‘ ungünstig aus.
Etwa jede vierte Schwangere leidet unter psychischer Belastung
Die Studienautoren gehen davon aus, dass etwa jede vierte Schwangere psychisch belastet ist, und damit die fetale Hirnentwicklung beeinträchtigt sein kann.
Die Studie unterstreicht den Nutzen einer frühzeitigen Erkennung betroffener werdender Mütter, denen mit einer Intervention geholfen werden kann, ihre psychische Belastung zu reduzieren.
„Dies kann sich sowohl auf die Symptome der Mutter als auch auf deren Baby positiv auswirken, und zwar noch lange nach der Geburt“, schließt Dr. Catherine Limperopoulos, Direktorin des Developing Brain Institute am Children’s National Hospital.
von Berufsverband der Frauenärzte e.V.
Quelle: Psychische Belastung in der Schwangerschaft stört geistige Entwicklung des Kindes, Berufsverband der Frauenärzte e.V., 13.06.2022
Ursprungsquelle: Wu Y, Espinosa KM, Barnett SD, et al. Association of Elevated Maternal Psychological Distress, Altered Fetal Brain, and Offspring Cognitive and Social-Emotional Outcomes at 18 Months, JAMA Network Open (2022). DOI: 10.1001/jamanetworkopen.2022.9244