EISL-Statement: Junge Familien werden seit tausenden von Jahren von „kundigen Personen“, meist Frauen, begleitet, die nicht nur aus der eigenen Familie stammen. Sie unterstützen die werdende Mutter vor und während der Geburt, geben praktische Tipps zum Stillen und zur Säuglingspflege und sind vor allem auch emotionale Begleiter:innen, die Zuversicht geben und die Mutter in ihrer Kompetenz stärken.
Über lange Zeit wurden diese Aufgaben innerhalb weniger Berufsgruppen gebündelt, was Vor-und Nachteile mit sich bringt. In den letzten Jahren findet jedoch eine spürbare Veränderung statt: mehr und mehr „neue“ Berufe bilden sich heraus, Spezialist:innen für verschiedene Teilaspekte der Elternschaft und des Mutterseins sind entstanden, z.B.Trageberater:innen, Windel-und Schlaf-Berater:innen, Berater:innen für Erste Emotionelle Hilfe und eine Reihe weiterer Berufsgruppen, die sich um bindungsorientierte Elternschaft bemühen.
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Fotografin für Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett in Frankfurt & deutschlandweit
Auch schon länger existierende, angrenzende Berufsgruppen entdecken mehr und mehr, wie wichtig fundierte Kenntnisse zum Still-und Bindungsverhalten von Säuglingen sind, um junge Familien noch kompetenter betreuen zu können. Diese Entwicklung begrüßen wir sehr.
Eine gelingende Stillbeziehung ist für viele Mütter in den ersten Tagen und Wochen der zentrale Angelpunkt
Allerdings stellen wir fest, dass einige Fachkräfte für sich in Anspruch nehmen, die alleinige Kompetenz für die Beurteilung eines bestimmten Wissensbereichs zu besitzen. Dies erschwert die gemeinsame Zusammenarbeit und führt oft zu Verunsicherung bei den betreuten Familien. Besonders gravierend wirkt sich dies aus, wenn die Fachkraft gleichzeitig kaum Kenntnisse zum Stillen besitzt, denn eine gelingende Stillbeziehung ist für viele Mütter in den ersten Tagen und Wochen der zentrale Angelpunkt, um den sich ihre Fragen und Sorgen drehen.
Still-und Laktationsberater:innen IBCLC nehmen in der Begleitung von jungen Familien eine besondere Rolle ein: sie stammen aus unterschiedlichen Berufsgruppen und haben während ihrer Weiterbildung zur IBCLC eine Vielzahl an interdisziplinären Kontakten geknüpft. Sie sind so umfassend zu den Themen Stillen und Bindungsförderung weitergebildet wie keine andere Berufsgruppe und sie verbinden diese Kenntnisse mit dem spezialisierten Wissen aus ihrem jeweiligen Grundberuf. IBCLC kann nur werden, wer bereits über Erfahrung in der Begleitung von stillenden Müttern und jungen Familien verfügt und wer zudem bereit ist, sich auch umfassendes Wissen anzueignen, das über den eigenen unmittelbaren Arbeitsbereich hinaus geht: wer in der Neonatologie arbeitet, benötigt trotzdem fundiertes Wissen zur Einführung von Beikost und dem Stillen eines älteren Stillkindes, und auch von Fachkräften, die in der freiberuflichen Wochenbettbetreuung tätig sind, wird erwartet, dass sie sich zum optimalen Stillstart im Kreißsaal oder zum Still-Aufbau bei einem Frühgeborenen auskennen. Diese Anforderung ist gepaart mit einem hohen Qualitätsanspruch, der eine Rezertifizierung alle 5 Jahre erfordert.
Selbstverständlich sind IBCLCs sensibilisiert für die Grenzen ihres Verantwortungs- und Wissensbereichs und werden in einigen Fällen Spezialist:innen für weitere Aspekte hinzuziehen, z. B. bei besonderen psychischen Belastungen oder beim Verdacht auf ein zu kurzes Zungenband.
Wir schätzen das spezialisierte Wissen dieser ergänzenden Expert:innen und sehen es als selbstverständlichen Teil unseres Auftrags, uns mit allen relevanten Berufsgruppen zu vernetzen.
Wichtig ist, dass jede Fachkraft, die mit Familien arbeitet, jedoch unbedingt selbst über ein grundlegendes Wissen zum Stillen verfügt,
um die Situation korrekt einschätzen zu können und gut mit der betreuenden IBCLC zusammenzuarbeiten. Wenn wir Familien stärken wollen, sollten uns Polarisierung und Konkurrenzdenken fremd sein.
Eine gute Stillberatung ist zentral für die psychische Gesundheit und das Wohlbefinden von frisch gebackenen Müttern
In vielen Studien wurde bereits gezeigt, dass eine gute Stillberatung zentral ist für die psychische Gesundheit und das Wohlbefinden von frisch gebackenen Müttern. In allen Umfragen bestätigt sich, dass über 85-90% der Schwangeren gerne stillen möchten, aber häufig den Eindruck haben, dass es wohl viel „Glück“ braucht, damit es klappt. Vor allem medizinische Fachkräfte , die im peri-und postpartalen Bereich arbeiten, sind hier gefragt: sie legen das Fundament für einen gelingenden Start und benötigen daher unbedingt umfassendes Wissen zum Stillen. Wenn der Stillbeginn gelingt, bedeutet das eine Stärkung der Mutter in ihrer Kompetenz, sie fühlt sich sicherer im Umgang mit ihrem Kind und kann sich leichter auf dessen Individualität einlassen. Gute Stillberatung ist aktive Bindungsförderung und Präventionsarbeit für die spätere Entwicklung des Kindes.
Wir möchten daher alle „alten“ und „neuen“ Berufsgruppen dazu aufrufen, sich mit uns gemeinsam für die folgenden Punkte einzusetzen:
Gute Still-und Bindungsbegleitung braucht fundiertes, evidenzbasiertes Wissen und trägt zu einer Stärkung junger Familien bei.
Die „Basics“ müssen stimmen: korrekte Informationen über einen guten Stillbeginn und das normale Still-und Bindungsverhalten von Säuglingen sind nötig, realistische Erwartungen an das Leben mit einem Neugeborenen sind zentral für junge Eltern.
Gute Stillberatung ist mehr als nur Wissensvermittlung: die Schulung in einfühlsamer Kommunikation gehört zu jeder Aus-und Weiterbildung für Fachkräfte in diesem Bereich.
Wer mit Familien arbeitet, besitzt mindestens eine Basisausbildung zum Stillen, im besten Fall die Weiterbildung zur IBCLC.
Ergänzende Spezialist:innen zu „kniffligen Fällen“ sind wichtige Netzwerkpartner und stellen mit ihrem besonderen Wissen eine Bereicherung dar.
Alle, die in der Betreuung von stillenden Müttern und jungen Eltern tätig sind, gehen verantwortungsvoll mit ihren Kompetenzen und Grenzen um und unterstützen aktiv die Vernetzung mit anderen Berufsgruppen, die die eigenen Kenntnisse ergänzen.
Quelle
EISL-Statement: Gutes Wissen zur Still-und Bindungsförderung ist zentral und unabdingbar (pdf)
© Team und Dozent:innen des Europäischen Instituts für Stillen und Laktation, Dezember 2020