Hochsensibel Mama sein - Kathrin Borghoff

Kathrin Borghoff
Hochsensibel Mama sein
Das Ressourcen-Buch
Beltz-Verlag
ISBN:978-3-407-86581-6
280 Seiten
19,95 Euro

Nach dem Buch „Orchidee oder Löwenzahn“ von W. Thomas Boyce, Psychologe und Kinderarzt, welcher mit seiner Forschungsarbeit zeigte, wie psychischer Stress die körperliche Verfassung von Kindern beeinträchtigt, wenden wir uns nun den Erwachsenden, insbesondere den hochsensiblen Müttern zu. (Anmerkung der Redaktion: Lesen Sie dazu die Rezension von Sabine Lück.)

Der Kindheit entwachsen und jetzt hochsensible Mutter?

Dass Hochsensibilität auch für Mütter und Väter eine Bedeutung für ihr Rollenverhalten haben könnte, liegt eigentlich nahe. „Hochsensibel Mama sein“ geschrieben von Kathrin Borghoff, Mutter und Coach für hochsensible Menschen, erhebt ihre Stimme für betroffene Eltern und zeigt Müttern mögliche Ressourcen auf.

Hochsensible Mütter gelten als empfindsam, feinfühlig und anfällig für Stress. Darum kann die Zeit mit Kind besonders herausfordernd sein. So geraten diese Mütter eher an ihre Belastungsgrenzen, da die Verantwortung für das Wohl und Wehe eines noch in der Entwicklung befindlichen Menschen, die Pflege, Zuwendung und der damit verbundene emotionale Kraftaufwand und die körperliche Anstrengung Erschöpfungszustände begünstigen. Empfindsamere Mütter „verstehen“ (vermutlich) Regungen und Reaktionen ihrer Kinder besser und können darauf gezielter reagieren als Mütter mit weniger Gespür für Feinheiten und Übertöne.

Kathrin Borghoff will helfen, Hochsensibilität zu erkennen und Mütter zu unterstützen und gibt Hinweise: Wann braucht es „mehr“ als die klassische Mütterbetreuung z. B. durch Hebamme, Stillberaterin, Frauenarzt, etc.? Und wenn, wo können wir beginnen?

Zur Gruppe der hochsensiblen Menschen zählen Frauen sowie Männer, introvertierte und extrovertierte. So richtet sich das Buch von Kathrin Borghoff in erster Linie zwar an Mütter, dennoch ist es genauso gut möglich, dass der Vater hochsensible Eigenschaften aufweist und nicht die Mutter.

Kathrin Borghoff berichtete im Rahmen des diesjährigen AFS-Stillkongresses (2022) über Hochsensibilität & Liebe aus der Perspektive der selbst Betroffenen und Expertin.

Sie knüpft mit ihrer Arbeit an die Forschungsergebnisse der Psychologin Elaine Aron* an, welche die Hochsensibilität das erste Mal Mitte der 90er Jahre thematisierte und intensiv erforschte. In den damaligen Studienergebnissen von Elaine Aron ergab sich eine Hochsensibilitätsrate in der Bevölkerung von 15-25 %. Die möglichen Dimensionen dieses Phänomens lassen sich jedoch lediglich in allgemeinen, vermuteten (!) Größenordnungen beschreiben. Dennoch lassen die Zahlen aufhorchen, so Kathrin Borghoff, so dass man heute davon ausgeht, dass Hochsensibilität etwas „normales“ und angeborenes ist. (Anmerkung der Redaktion: Hochsensibilität ist seit langem Gegenstand sowohl der Folklore als auch wissenschaftlicher Forschung und Spekulation. Mit den modernen, empirischen Forschungsmethoden, z. B. Hirn-MRI, lässt sich das Phänomen inzwischen genauer beschreiben und messen, seine Wahrnehmung und die soziale Reaktion darauf wird dadurch aber eher eingeengt.)

„Alle Lebewesen auf unserer Erde haben naturgemäß unterschiedliche Wahrnehmungen und Sensibilitäten. Und so gibt es auch Menschen mit erhöhter Wahrnehmung und welche mit reduzierter. Das hat keine Auswirkung auf die Intelligenz der Person,“ so Kathrin Borghoff.

Im Buch „Hochsensibel Mama sein“ beschreibt die Autorin äußerst humorvoll die unterschiedlichen „Parkplatzwächter“ eines hochsensiblen und eines nicht hochsensiblen Gehirns. (S. 88-90)

Dabei werden von dem hochsensiblen Gehirn deutlich mehr Reize aufgenommen und verarbeitet als von einem nicht hochsensiblen Gehirn, welches Reize vorher filtert und gar nicht erst zulässt. Das ermöglicht Personen, die beispielsweise grelles Licht, Geräusche, Gerüche oder Berührungen weniger intensiv wahrnehmen und darüber weniger nachdenken, deutlich mehr Ruhe und Entspannungsphasen im Alltag, die sich ein hochsensibler Mensch oft gar nicht „gönnt“ bzw. überhaupt ermöglichen kann, da das hochsensible Gehirn die ganze Zeit zu tun hat und somit schneller stressanfällig ist.

Besonders häufig lassen sich bei hochsensiblen Menschen die folgenden Charaktereigenschaften beobachten:

  • ausgeprägte Feinfühligkeit,
  • schnelle und scharfe Auffassungsgabe,
  • fehlende Abgrenzung,
  • stark ausgeprägte Empathie und Umsichtigkeit,
  • langes Nachhallen,
  • Neigung zu Überstimulierung und Überreizung,
  • mindestens ein Sinneskanal ist auffallend empfindsam,
  • das Empfinden, hohen Erwartungen nicht standhalten zu können,
  • das Gefühl, in einer Welt voller starker, zielorientierter, tapferer Menschen der einzige Alien zu sein. (S. 65-66)

Vor allem der letzte Punkt ist ein ganz prägnantes Gefühl hochsensibler Menschen, dass sie sich oft abgrenzen und anders fühlen lässt.

Darüber hinaus bringt Kathrin Borghoff viele Beispiele aus ihrem Coachingalltag insbesondere mit hochsensiblen Müttern, diese helfen bei der Selbsteinschätzung genauso wie der anhängende Selbsttest am Buchende. Wie der Titel schon verrät, handelt es sich bei dem Buch um ein Ressourcen-Buch. Das Schaffen von eigenen Ressourcen steht ab dem 4. Kapitel des Buches dann klar im Fokus für die Leserschaft.

Wie kann ich lernen dem Stress entgegenzuwirken, meine Grenzen zu erkennen, meine Stärken zu nutzen, Vertrauen in mich selbst aufzubauen und was hilft im Erschöpfungszustand?

Für betroffene Eltern lohnt es, sich mit den Hilfestellungen im Umgang mit auftretenden stressigen Situationen vertraut zu machen, um mehr Ruhezeiten im Alltag zu schaffen. Denn Ruhe ist laut Kathrin Borghoff zumeist das beste Hilfsmittel für hochsensible Charaktere, um wieder in die eigene Mitte zu finden.

Mich hat das Buch sehr beeindruckt und es ist sowohl für (werdende) Eltern als auch Fachpersonal, welches mit Familien arbeitet, sehr gut geeignet.

280 Seiten angewandtes Wissen bieten Lösungen an und erleichtern der Leserin, dem Leser das Verständnis der Thematik, besonders im Hinblick auf seine Komplexität.

Von Cora Dechow

*Mehr zu Elaine Aron
(siehe auch: Das Interview „Hochsensibilität ist keine Krankheit“, welt.de von Brenda Strohmaier, 01.03.2015  und „Hochgradige Sensibilität und die wichtigsten Fakten“ ein Buchauszug von Elaine Aron mit einem Selbsttest für Erwachsene  und Sensibilitätstest für Kinder 8-18 Jahre)

Filmtipp: „Sensitive – the Untold Story“ ist ein Dokumentarfilm über Hochsensibilität basierend auf den Forschungsergebnissen von Dr. Elaine Aron

Katrhin Borghoff © Sarah Nitzschke

Über die Buchautorin: Kathrin Borghoff

Kathrin Borghoff, Mutter zweier Söhne, lebt mit ihrer Familie in Dortmund. Als Coach für hochsensible Menschen begleitet sie Familien mit den Schwerpunkten Sensibilität, Hochsensibilität, Stressreduktion durch Achtsamkeit und Entspannungspädagogik. www.kathrin-borghoff.de