Väter und Töchter - Foto iStock © Hakase_Es ist ein altbewährtes Mantra, dass Jungen männliche Vorbilder brauchen. Insbesondere brauchen sie eine Vaterfigur, und das Fehlen eines Vaters wird oft als Grund dafür angeführt, dass Jungen aus der Bahn geraten. Doch mit zunehmendem Wissen über die Rolle, die Väter bei der körperlichen und emotionalen Entwicklung ihrer Kinder spielen, wird immer deutlicher, dass Väter das Potenzial haben, ihren Töchtern noch größere Vorbilder zu sein als ihren Söhnen.

Tatsächlich zeigen neuere Studien, dass Väter anscheinend einen größeren Einfluss als Mütter darauf haben, wie Töchter einige der Schlüsselereignisse ihrer Jugend und ihres frühen Erwachsenenlebens meistern: akademischer und beruflicher Erfolg, erste romantische Liebschaften, psychische Gesundheit und Lebensstress.

Der Schlüssel zur Welt

Bei der Abfassung meines Buches Papa werden – Die Entstehung des modernen Vaters habe ich alle Ergebnisse der Vaterschaftsforschung seit ihrem Beginn vor einem Jahrzehnt zusammengetragen, sowohl meine eigenen als auch die meiner Kollegen, mit dem Ziel, ein möglichst vollständiges Bild vom Vater zu vermitteln und wie er die Elternschaft erlebt. Beim Schreiben ergab sich ein Muster, das für alle Väter der Welt zutrifft, wie auch immer sie ihre Vaterschaftsziele erreichen.

Alle Väter scheinen eine Rolle dabei zu spielen, dem Eintritt ihres Kindes in die Welt jenseits der Familie ein festes Fundament zu geben – sie zum Sprung ins Leben zu ermutigten, sich selbst zu erforschen und herauszufordern, sie mit den notwendigen Kompetenzen auszustatten, die ihnen zum Lebenserfolg verhelfen sollen. Väter sind am einflussreichsten, wenn es um die Entwicklung der Sprache geht, die unsere sozialen Interaktionen erleichtert, bei der Förderung der neuronalen Strukturen, die die sozialen Schlüsselkompetenzen unterstützen: Einfühlungsvermögen, Vertrauen, Teilen und Emotionskontrolle. Sie bauen die geistige und körperliche Widerstandsfähigkeit (Resilienz) ihres Kindes auf, erweitern seine Entwicklungsräume und bringen ihm bei, Risiken einzuschätzen, Herausforderungen zu meistern und Misserfolge zu vermeiden. Folglich sind sie der Elternteil, der einen wesentlichen Teil des Schlüssels besitzt für eine lebenslang gute psychische Gesundheit des Kindes.

Ein erfolgreiches Leben

Väter und Töchter - Foto iStock © PeopleImagesVäter beeinflussten Mädchen und Jungen gleichermaßen, aber ihr Einfluss auf Töchter scheint stärker zu sein. Töchter, die sichere Beziehungen zu ihren Vätern haben, sind deutlich besser in der Lage, sowohl akademisch als auch beruflich erfolgreich zu sein, haben qualitativ hochwertige und stabile romantische Beziehungen, haben positivere psychologische Ergebnisse – niedrigere Depressionsraten und ein höheres Selbstwertgefühl – und sind besser in der Lage, sowohl negativen Gruppendruck auszuweichen als auch unerwünschte sexuelle Annäherungsversuche abzulehnen. Und die Politikerinnen der Welt sind unverhältnismäßig oft Erstgeborene, Mitglieder im „Club der ersten Töchter“ oder sind Frauen, die keine Brüder haben.

Warum ist Papa etwas Besonderes? Zum Teil, weil er als Elternteil – für Sohn oder Tochter – die Aufgabe hat, die Tür in die weite Welt zu öffnen. Aber wenn es um Töchter geht in einer Kultur, die immer noch starke Vorstellungen davon hat, wie Mädchen und Frauen sein sollten, muss der Vater die Führung übernehmen und seinen Töchtern zeigen – ihnen sozusagen die Erlaubnis des Patriarchats geben – durchsetzungsfähig und selbstbewusst zu sein, zu glauben, dass das, was sie denken und fühlen, einen Wert hat.

Die Macht der Bindung

Väter und Töchter - Foto iStock © HalfpointAll diese Vorteile bauen auf dem Fundament einer starken, einfühlsamen, liebevollen Bindung zwischen Vater und Tochter auf. Aber es ist auch klar, dass es vor allem in der Adoleszenz wichtig ist, was Väter und Töchter gemeinsam tun. Der Schlüssel sind Aktivitäten, die beiden Spaß machen. Es muss nichts Aufwändiges sein: es reichen eine Fahrradtour, das Kochen des Sonntagsmittagessens, Spaziergänge mit dem Hund. Aber es gibt etwas in diesen Aktivitäten, was entscheidend zu sein scheint für die dauerhafte Nähe zwischen Vater und Tochter und den Einfluss auf ihr Leben – vor allem als Heranwachsende, aber auch in jedem Alter.

Fortschrittliche Väter

Und während Väter ihren Töchtern etwas Besonderes zu bieten haben, haben auch Töchter ihren Vätern etwas zu vermitteln. Es wird immer deutlicher, dass wenn Väter Töchter haben, ihre Ansichten zu einer Reihe von geschlechtsspezifischen Themen einschließlich der Gleichstellung beeinflusst werden. In einer Studie aus dem Jahre 2018 mit dem Titel The ‚Mighty Girl‘ Effect: Does Parenting Daughters Change Attitudes towards Gender Roles? [1] fand ein Forscherteam der London School of Economics heraus, dass unter Vätern von Töchtern eine fortschrittliche Einstellung zu Geschlechterrollen im Haushalt deutlich zunahm, einschließlich der Frage, wer für die Kinder sorgen und wer sie finanziell unterstützen sollte.

Starke, erfolgreiche Frauen

Ich rühre oft die Trommel für Väter, weil wir uns die starken positiven Einflüsse zunutze machen können, die sie auf die Entwicklung ihres Kindes haben. Wir müssen sie dazu aber auch in die Lage versetzen, sich einzubringen. Väter von Töchtern haben aber auch etwas Einzigartiges zu bieten, wenn es um den Kampf für die Gleichstellung der Geschlechter geht. Denn sie wissen um die Macht und das Potenzial, das in ihrem weiblichen Kind steckt, denn schließlich haben sie durch die Liebe zu ihren Töchtern dazu beigetragen. Indem wir ihnen helfen, ihre Vaterrolle wahrzunehmen, gewinnen wir eine Welt, die von selbstbewussten, mental starken und erfolgreichen Frauen bevölkert ist. Etwas, von dem wir alle profitieren können.

von Anna Machin

Übersetzung: Redaktion fürKinder

Links zum Thema

Papa werden – Die Entstehung des modernen Vaters, Anna Machin

Väter – Zeit für Kinder – Sarah Johnson et al., Mothers’ and Fathers’ Work Hours, Child Gender and Behavior in Middle Childhood.

Vaterliebe – eine unterschätzte Rolle

Baby verändert Hormonhaushalt des Vaters – L.T. Gettler et al., Does Cosleeping Contribute to Lower Testosterone Levels in Fathers? Evidence from the Philippines.

Quellenangabe und weitere Informationen

[1] The ‘Mighty Girl’ Effect: Does Parenting Daughters Alter Attitudes towards Gender Roles? Mireia Borrell-Porta, Joan Costa-Font, Julia Philipp, Discussion paper series iza dp No. 11259, 01.2018

Originalbeitrag: Dads and Daughters, Anna Machin, vom 16.07. 2019