Unsere Vorfahren lachten wahrscheinlich schon lange, bevor sie zu sprechen begannen. Denn die Sprachzentren liegen in der entwicklungsgeschichtlich jüngeren Hirnrinde, während das Lachen einem älteren Gehirnteil zugeordnet wird.
Lachen in der frühen Kindheit
Am häufigsten lachen Babys und Kleinkinder, nämlich ca. 400-mal am Tag, während der Erwachsene nur 15-mal am Tag lacht [1].
Im Alter zwischen vier und acht Wochen huscht das erste absichtliche Lächeln über das Säuglingsgesicht. Dies gilt auch für Säuglinge, die taub oder blind zur Welt kommen. Zwar unterscheidet sich das Klangmuster bei gehörlosen Säuglingen etwas von gesunden Säuglingen, aber ihre humoristische Entwicklung verläuft gleich. Lächeln ist der erste emotionale Austausch zwischen Baby und Mutter. Damit signalisiert es: „Ich bin offen für Kontakt!“
Etwa ab dem vierten Lebensmonat setzt das Lachen ein. Es entsteht zunächst über Körperkontakt z. B. wenn die Mutter das Baby liebevoll an sich drückt und dabei lustige Geräusche macht. Erst mit einem Jahr kommt es zu Lachreaktionen auf komische Ereignisse, z. B. wenn der Vater aus Spaß die Zunge rausstreckt. Wenn Kinder beim Lachen, Kitzeln oder Kichern immer wieder „Noch mal!“ rufen, dann sehnen sie sich nach der wohltuenden Geborgenheit und Zusammengehörigkeit.
Wortspiele und soziale Bindung
Kinder im Vorschul- und Grundschulalter entdecken rasch die Wortkomik. Sie haben Spaß am verbalen Unsinn, an Wortspielen und Zungenbrecher. Wenn sie andere Kinder zum Lachen bringen, dann machen sie die wichtige Erfahrung: Der Andere hat Interesse an mir, ich bin beliebt und mein Ansehen in der Gruppe steigt!
Humor ist der Regenschirm der Weisen! Erich Kästner
Für den französischen Philosophen Henri Bergson (1859-1941) war das Lachen ein sozialer Gradmesser; ein Lächeln kann im Umgang mit Fremden entwarnend oder befreiend wirken. Lachen erlaubt uns, Abstand zu bekommen, auch von ernsten oder traurigen Ereignissen.
Lachen ist die beste Medizin!
Dies lehrt nicht nur der Volksmund, auch viele wissenschaftliche Studien belegen dies.
Seit den 70er Jahren beschäftigen sich Gelotologen (griech. gelos: das Lachen) mit den körperlichen und seelischen Auswirkungen des Lachens auf den homo ridens, den lachenden Menschen. Auslöser hierfür war der Journalist Norman Cousins, der in den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts an der Wirbelsäule erkrankte. Als nichts gegen die starken Schmerzen half, verordnete er sich selbst neben der medizinischen Behandlung eine Lachkur. Er sah sich komische Filme an und las witzige Bücher. Nach zehn Monaten soll er keine Schmerzen mehr gehabt haben.
Dieser zunächst unglaublichen Behauptung ging der Stanford-Professor William F. Fry auf den Grund. Er unternahm diverse Selbstversuche und stellte fest, dass die Aktivität der natürlichen Killerzellen während der Lachphase ansteigt. Als er 1964 sein Institut zur Humorforschung gründete, wurde er von vielen Kollegen belächelt. Seine Untersuchungen des Immunsystems erregten jedoch weltweit Aufsehen und heute gilt Fry als der Vater der Gelotologie.
Die positive Wirkung des Lachens
Inzwischen ist die Science of Pleasure, die Humorforschung, eine weltweit anerkannte Disziplin. Sie konnte inzwischen diese positive Begleiterscheinung des Lachens nachweisen: Es beschleunigt den Herzschlag, regt somit den Blutdruck an und stärkt unser Immunsystem. Es setzt unsere Schmerzempfindlichkeit herab, erhöht den Sauerstoffverbrauch und fördert somit die Verbrennungsvorgänge in unseren Zellen.
Mit jeder Lachsalve trainieren wir 240 von insgesamt 630 Körpermuskeln. Lachen verschafft uns eine Pause von den Problemen des Alltags und einen Moment der Befreiung. Wer lernt, über seine Missgeschicke zu lachen, anstatt sie in sich hineinzufressen, fördert seine Kreativität und findet leichter Problemlösungen.
Clowns im Krankenhaus
Wie heilsam Lachen sein kann, wusste auch Michael Christensen, der Mitbegründer des New Yorker Stadtzirkus. Als er 1986 die Idee des Clown Doctoring ins Leben rief, ahnte er nicht, wie erfolgreich sich dieses Projekt entwickeln würde. Heute beschäftigt die Clown Care Unit des New Yorker Big Apple Circus 60 Clowns, die als Ärzte verkleidet die Kinderstationen von 16 Hospitälern in New York und weiteren Städten besuchen.1993 kam einer dieser Clown Doktoren, Laura Fernandez, nach Deutschland und gründete 1994 nach dem New Yorker Vorbild den Verein Die Clown Doktoren e.V.
Der weltweit erste Clinic-Clown-Kongress fand 1998 am Universitätskrankenhaus Münster statt. Dort berichtete die Chefärztin der Berliner Kinderklinik:
„Die Kinder fühlen sich den Clowns sehr verbunden. Dadurch ertragen sie ihr Schicksal deutlich leichter.“
Von 54 befragten lebensbedrohlich erkrankten Kindern fühlten sich die meisten am wohlsten, wenn die Clowns auftauchten. Auch die Wiener Kardiologin Suzanne Rödler entwickelte Konzepte zur Clowntherapie mit chronisch Kranken. Sie ist Initiatorin des Vereins CliniClowns in Österreich.
Lachen und Lernen
Längst ist der Therapeutische Humor zu einem ernst zu nehmenden Begriff im Gesundheitswesen avanciert. Inzwischen blüht auch der „Lachmarkt“ mit Seminaren von der Lachtherapie bis hin zum Lach-Yoga. Diese 1995 von dem indischen Arzt Madan Kataria erfundene Methode basiert auf den Grundlagen des Yogas und den Erkenntnissen der Gelotologie.
Bei dieser Lachtherapie, die gänzlich ohne Witze auskommt, treffen sich kleine Gruppen zu einem 20-minütigem Gemeinschafts-Lachen. In etwa 1.300 Lachclubs auf der ganzen Welt wird Lachyoga praktiziert.
International ist man sich heute längst einig: Humor ist eine Medizin ohne Risiken und Nebenwirkungen! Die schmerzgeplagte Malerin Frida Kahlo (1907-1954) schrieb schon vor 60 Jahren in ihr Tagebuch:
„Nichts ist fürs Leben wichtiger als das Lachen. Lachen bedeutet Stärke, Selbstvergessenheit und Leichtigkeit.“
Humor in der Schule
Bei all diesen positiven Meldungen über das Lachen ist es verwunderlich, dass Humor und Schule in einem so konfliktreichen Verhältnis stehen. Während im Kindergarten noch herzhaft gelacht werden darf, so beginnt mit der Schule der Ernst des Lebens! Hier herrscht die Faustregel: „Wer lernt, lacht nicht!“
Kein Wunder, dass der Humor in schulpädagogischen Konzepten und Büchern weitgehend ausgeklammert ist. Fragt man jedoch Kinder nach den wichtigsten Eigenschaften eines idealen Pädagogen, so nennen sie Humor meist an erster Stelle.
Der Tübinger Erziehungswissenschaftler Dieter Kassner stellte mittels einer Fragebogenerhebung fest, dass Humor ein entspanntes, angstfreies Lernklima schafft. Und Kinder, die viel zu lachen haben, können ihre Aggressionen besser abbauen. Davon profitiert die ganze Gruppe und Klasse!
Die Forschungsergebnisse der Gelotologie sollten also allen finster dreinblickenden Eltern, humorlosen Erziehern und Lehrern zu denken geben. Denn sie schaden damit nicht nur den anderen, sondern vor allem sich selbst!
Den Menschen zum Lachen zu bringen, fördert sein Gedächtnis.
Die amerikanische Psychologin Krsty Nielson von der Marquette University in Wisconsin las Testpersonen eine Liste mit jeweils dreißig Wörtern vor und zeigte der einen Hälfte der Probanden eine halbe Stunde danach einen witzigen Videoclip. Eine Woche später konnten sich diese Versuchsteilnehmer noch an doppelt so viele der Begriffe erinnern wie die Vergleichspersonen, die nach dem Vorlesen der Wortliste nichts zu lachen vorgesetzt bekamen.
Aber um Humor verstehen und genießen zu können, bedarf es nach Ansicht der Verhaltensbiologin Dr. Haug-Schnabel von der Universität Freiburg einiger Fähigkeiten. Die geistige, soziale Entwicklung eines Kindes muss so weit fortgeschritten sein, dass es das Humorvolle und Witzige als Abweichung von der Norm erkennt. Es sollte wissen, dass nicht alles Gesagte Ernst gemeint ist und dass mitunter Worte nur zum Spaß ausgetauscht werden. Es braucht innere Souveränität, um über der Sache zu stehen und sich nicht persönlich betroffen zu fühlen. Erst wenn es die realitätsverzerrte Perspektive des Witzes verstehen kann, wird es den Humor als Kitzeln des Geistes genießen können. Allerdings sollten wir Ironie oder Sarkasmus vermeiden, denn Kinder können nicht damit umgehen.
Links zum Thema
Das Schatzbuch des Lachens: Grundlagen, Methoden und Spiele für eine Erziehung mit Herz und Humor, Charmaine Liebertz
Dr. Lee Berk & Dr. Stanley Tan (Loma Linda University, 2001): Modulation of neuroimmune parameters during the eustress of humor-associated mirthful laughter, PubMed
Buchowski, M. S., et al. (Vanderbilt University, 2005): Energy expenditure of genuine laughter, International Journal of Obesity, PubMed
Berk, L. S., et al. (Loma Linda University, 1989): Neuroendocrine and stress hormone changes during mirthful laughter, PubMed
Ruch, W., & Ekman, P. (2001): The expressive pattern of laughter
Die Signale des Babys – filmisches Lexikon der Babysprache, Filme: Anja Freyhoff + Thomas Uhlmann
Wie Kinder lernen – emotional und kognitiv – Das „Still Face“ Experiment
Zwiegespräche bilden Kinder
Wie ein Lächeln das soziale Klima verändert