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Bildung Module2023-11-23T15:13:30+01:00

Das Elternhaus als sicherer Hafen für Bildung

Bildungsentwicklung –­ worum geht es dabei?

Elternschaft ist wahrscheinlich eine der herausforderndsten Erfahrungen, die eine Person machen kann. Mütter und Väter haben den Auftrag und tragen die Verantwortung, ihrem Kind zu helfen, sich zu einer stabilen, selbstbewussten und prosozialen Persönlichkeit zu entwickeln.* Dabei kommen den ersten Lebensjahren eine entscheidende Bedeutung für die Persönlichkeitsentwicklung, die Gesundheit und auch für die Entwicklung des Gehirns zu. Doch wie machen die in Kleinstfamilien lebenden modernen Eltern dies?

Eltern benutzen intuitiv ihr Herz und ihren Verstand.

* Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland Art. 6 Absatz 2

Bildung fängt in der Familie an

Bei dieser wichtigen gesellschaftlichen Aufgabe erhalten Eltern Ratschläge über Kindererziehung, die oft mit einer gut meinenden Absicht verbunden und oft widersprüchlich sind, da jedes Kind einzigartig ist und mancher Tipp zukunftsgerichtet:

Wenn Du bei jeder Regung, jedem Geräusch hingehst, verwöhnst Du es.
Ein Baby muss auch warten lernen.
Es muss lernen, alleine einzuschlafen.
Wie lange willst Du denn noch stillen?
Es wird nie laufen lernen, wenn Du es ständig trägst.
Es muss sich auch mal allein beschäftigen.
Kinder können viel aushalten.

Gut zu wissen: Die Hirnforschung ist da eindeutig und kann dazu beitragen, eine Entscheidung zu treffen, welche Tipps die Beziehung zwischen Kind und Eltern oder anderen Bezugspersonen nachhaltig verbessern kann.

Wie Kinder die Welt spielerisch erkunden und lernend begreifen

Das Gehirn entwickelt sich durch die INTERAKTION mit den Eltern – den wichtigsten Bezugspersonen für das Kind.

Je früher und häufiger Mütter und Väter im Kontakt mit ihrem Baby sind, helfen sie maßgeblich, das Gehirn des Kindes aufzubauen. Sie prägen ihr Kind und den Erwachsenen, der es sein wird, durch die Art wie sie ihr Herz benutzen.

Obwohl das Gehirn bereits bei der Geburt angelegt ist, werden die meisten Verbindungen zwischen den verschiedenen Hirnregionen erst nach der Geburt hergestellt. Die Nervenzellen bilden ein eng verknüpftes Netzwerk, das je nachdem wie wir mit dem Kind umgehen und auf seine Bedürfnisse eingehen, alle Reize aus der Umwelt aufnimmt, weiterleitet und untereinander austauscht.

Dies geschieht in einem atemberaubenden Prozess, in dem gewaltige und „blitzartige“ Verknüpfungen der Milliarden von Nervenzellen des Gehirns untereinander über die Synapsen – die Öffnung der Kommunikationswege zwischen den Zellen unterschiedlichster Funktion – stattfinden. Dieser Prozess wird in immer neu entdeckten Details von der „Epigenetik“ beschrieben. Und da stellt sich heraus, dass diese darauf angewiesen sind, dass das Kind mit seinem ganzen Körper und all seinen Sinnen etwas erlebt, spürt, begreift, fühlt.

Doch was braucht ein Kind, damit sich sein Gehirn gut entwickelt und zu einer stabilen, selbstbewussten und prosozialen Persönlichkeit führt?

Bindung entdecken - Chancen für Bildung © für Kinder

BINDUNG – das Band der Liebe

Bindung ist ein sehr intensives Gefühl und wir brauchen sie genauso wie die Luft zum Atmen.

Der Kinderpsychiater und Pionier der Bindungsforschung John Bowlby beschrieb diese Beziehung wie folgt:

Bindung ist das gefühlsgetragene Band, das eine Person zu einer anderen spezifischen Person anknüpft und das sie über Raum und Zeit miteinander verbindet.

Ein Kind ist vor allem in seiner ersten Lebensphase auf die verlässlich schützende Nähe zu vertrauten Personen, insbesondere der Mutter, angewiesen. Es empfindet die Mutter als Teil von sich selbst, da es in den ersten sechs Monaten noch kein Gefühl für sich als eigenständige Person hat. Es braucht das sichere Vertrauen in Erwachsene, von denen es sich um seiner selbst willen geliebt, erwünscht und willkommen fühlt. Erst die Gewissheit eines sicheren Rückzugsortes gibt ihm den Freiraum, durch eigene „Forschung“ zum „Begreifen“ zu kommen, denn Mut und Trost sind Zwillinge in der Schule des Lebens.

Mütter und Väter sind sich der Einzigartigkeit ihres Kindes bewusst, sie folgen intuitiv ihrem Herzen und sie wollen ihrem Kind die beste Bildung mitgeben. Mit ihrer Sensibilität, ihrer Offenheit für die Ergebnisse der Bindungsforschung bereiten sie den Boden für eine gesunde Gehirnentwicklung, die einhergeht mit einem lebenslangen Glücksvermögen. So wirken sich die unvergleichlichen Fähigkeiten jedes Elternteils messbar positiv auf die Entwicklung und Gesundheit des Kindes aus.

Doch kann man Bindung sehen und spüren?

♥ Ein kleines Kind bindet sich, indem es etwa unseren Finger fest umklammert.
♥ Das Kleinkind, das Trennungs- und Verlassenheitsängste hat, klammert sich fest an seine Bindungsperson.
♥ Jede fröhliche und freundliche Interaktion von Kindern und Eltern, jede intensive Umarmung ist Bindungsverhalten.

In den Augen seiner Eltern sucht das Kind nach Wärme und Wohlwollen.

♥ Jeder spürt, ob er wahrgenommen wird, wenn er etwa einen Raum betritt oder zu einer Gruppe hinzustößt.
♥ Ein Kind achtet darauf, ob die Eltern es anschauen oder ihre Aufmerksamkeit dem Handy gilt.
♥ Ein Baby bemerkt, ob seine Eltern auf seine Lautäußerungen wie Gurren und Schnalzen reagieren, ob sie seine Einladung zu einem ersten Gespräch annehmen.

Und wie funktioniert Bindung?

LIEBE – die Quelle des Lebens

Eltern sind die einzige Liebesquelle des Babys. Es hat niemand anderen, an den es sich wenden kann.

Kleine Kinder haben das elementare Verlangen nach Nähe und tiefer emotionaler Bindung an ihre Eltern. Mütter und Väter spiegeln ihr tiefes Gefühl in einer bedingungslosen Annahme des Kindes wider. Diese individualisierte, gegenseitige vorbehaltlose und einzigartige Verbundenheit nennt man Liebe; sie wird durch die Bindungsbereitschaft des Kindes, das Fürsorgeverhalten und Einfühlungsvermögen der Eltern oder der Person, an die es sich gebunden fühlt, ermöglicht.

Gordon Neufeld, Professor für klinische Psychologie und Entwicklungspsychologe, formuliert es so:

Es gibt keine größere Nähe als das Gefühl, jemandem vertraut und jederzeit willkommen zu sein und von ihm so wie man ist gemocht, akzeptiert und angenommen zu werden.

Gut zu wissen: Mit zunehmender Hirnreife und mit liebevoller Zuwendung entwickelt sich ein Neugeborenes, das anfänglich viel weinte und scheinbar immer Hunger hatte, zu einem fröhlichen Kind, das lacht, kichert und lustige Geräusche macht.

Doch was ist nötig, damit sich ein Kind gut entwickeln kann?

Gemeinsames SPIELEN – eine Wohltat für die Seelen

Die ersten gemeinsame Spiele zwischen Eltern und Baby finden in Form von Eltern-Kind-Gesprächen statt. Wenn das Baby gurgelt, quietscht oder lacht, es Blickkontakt aufnimmt, mit seiner Mimik, Gestik oder einer Berührung auf sich aufmerksam macht, folgen die Mutter oder der Vater dieser Aufforderung, indem sie den Blick liebevoll erwidern, sich dadurch vielleicht wortlos verständigen, zurücklachen oder das Gesprächsangebot aufnehmen, indem sie die kindlichen Äußerungen wiederholen und Laute nachahmen. Dieses „Dialogische Echo“, geht immer vom Kind aus, macht Spaß und signalisiert dem Baby, dass Sie gern mit ihm zusammen sind und seine Gefühle wahrnehmen und teilen. Das Baby erfährt etwas über ihre Einstellungen und Haltungen wie Respekt oder Mitgefühl und es fördert die kindlichen Fähigkeiten.

Bei jedem Hin und Her im Gehirn von Mutter und Kind wird das Bindungshormon Oxytocin freigesetzt und provoziert darüber dieses gegenseitige Aufeinandereingehen jeweils neu. Unter dem Einfluss von Oxytocin auf die Nervenzellen des Belohnungssystems beginnt das Gehirn des Babys tief und fest abzuspeichern, dass es an Mamas Brust oder auf Papas Arm zur Ruhe kommt. Monatelang werden darüber die dazugehörigen Schaltkreise aus Nervenzellen immer wieder aktiviert. Sie stabilisieren sich und in der zweiten Hälfte des ersten Lebensjahres spürt das Baby, dass es mit seinen Eltern verbunden ist.

Auch das Kleinkind wird durch ein spielerisches Angebot verleitet, mit uns in Beziehung zu treten. So reagiert ein kleines Kind auf unsere ausgebreiteten Arme, indem es seine Arme uns entgegenstreckt.

Diese wechselseitigen Interaktionen des Dialogischen Echos beeinflussen die Entwicklung des Gehirns, das lebenslange Lernen, das Verhalten und das Wohlbefinden. Dabei fördern

Nachahmungsspiele Fantasie und Einfühlungsvermögen,

Benennungsspiele den Wortschatz und die Aufmerksamkeit und

Guck-guck-Spiele das Gedächtnis und bilden Vertrauen.

Gut zu wissen: Erste Spielanregungen helfen dem kleinen Kind zu den ersten unbewussten Gefühlswahrnehmungen, die ihm im vierten Lebensjahr helfen, seine Gefühle zu kontrollieren und mit Stress umzugehen. Die Gefühlsregulation ist somit ein wesentliches organisierendes Prinzip der emotionalen Entwicklung und der Hirnreifung.

Bindung entdecken - Bildung Kinderseite

Entdecken Sie, wie Spielen die Sinne anregt und Zeit und Raum für Gemeinsamkeit schafft. Astrid Lindgren, † 2002, gehörte zu den bekanntesten Kinder- und Jugendbuchautor:innen der Welt. Sie sagte dazu:

„Kinder sollten mehr spielen, als viele Kinder es heutzutage tun. Denn wenn man genügend spielt, solange man klein ist – dann trägt man Schätze mit sich herum, aus denen man später sein ganzes Leben lang schöpfen kann. Dann weiß man, was es heißt, in sich eine warme, geheime Welt zu haben, die einem Kraft gibt, wenn das Leben schwer wird. Was auch geschieht, was man auch erlebt, man hat diese Welt im Innern, an die man sich halten kann.“

Unsere Spielideen finden Sie auf unserer KINDERSEITE

Von Geburt an können Sie bei ganz alltäglichen Gelegenheiten wie etwa beim An- und Ausziehen, Wickeln, Baden oder auch beim Einkaufen, Warten an der Kasse oder auf den Bus mit ihrem Kind ohne zusätzlichen Aufwand in eine spielerische Beziehung treten. Probieren Sie es aus und lassen Sie die nachfolgenden fünf Schritte zur Routine im Zusammenleben mit Ihrem Kind werden.

Gut zu wissen: Routinen geben einem Kind ein Gefühl der Kontrolle, Kontinuität und sicheren Halt.

1. Perspektive teilen
Wofür interessiert sich das Kind gerade in diesem Augenblick, worauf richtet es seine Aufmerksamkeit? Schaut oder zeigt es auf etwas? Wie ist sein Gesichtsausdruck, plappert es munter drauflos? Zappelt es mit Armen und Beinen? All dies gibt Ihnen Hinweise, auf was das Kind sich gerade jetzt konzentriert und es gibt Ihnen Gelegenheit, sein Augenmerk zu teilen. Warum?

Wenn Sie das Interesse des Kindes teilen, erfahren Sie viel über seine Fähigkeiten, Interessen und Bedürfnisse. Sie wecken seinen Forschergeist und stärken die Bindung.

2. Erwidern Sie die Spielaufforderung des Kindes
Spiegeln Sie ihm wider, was Sie wahrnehmen. Bestätigen Sie seine Wahrnehmung mit Ihrem Gesichtsausdruck „Ich verstehe, ich sehe es auch!“ nehmen Sie durch ihre Gestik Blickkontakt auf, lächeln oder nicken Sie zustimmend. Auch ein Ausruf wie „Ah, wie schön!“ drückt plötzliches Verstehen aus, zeigt Verwunderung, Überraschung oder Freude. Eine Umarmung und sanfte Worte trösten und ermutigen es, sein inneres Gleichgewicht wieder zu finden. Einen Gegenstand aufheben oder näher heranholen, auf den das Kind zeigt, unterstützt sein Vorhaben. Warum?

Genau wie bei uns Erwachsenen beflügelt ein Kind, das Gefühl, gehört und verstanden zu werden. Ihre Unterstützung und Ermutigung rufen die Neugier, weckt das Interesse des Kindes am gemeinsamen Tun hervor.

3. Benennen Sie Dinge, Personen, Handlungen und Gefühle
Noch bevor das Kind sprechen oder Ihre Worte verstehen kann, können Sie ihm helfen, sprachliche Verbindungen in seinem Gehirn zu knüpfen. Fassen Sie für das Kind in Worte, was es sieht, tut oder fühlt. Benennen Sie seine Wahrnehmungen und auch Ihre Handlungen. Sie können es einladen, mitzuhelfen wie etwa auf dem Wickeltisch „Jetzt wasche ich deinen Arm; gibst Du ihn mir?“ Wenn Sie dabei immer in der gleichen Abfolge das Baby waschen, anziehen, wird es eine Struktur erkennen und es kann seine Empfindungen ordnen. Wenn ein Kind auf seine Füße zeigt, können Sie auch auf sie zeigen und sagen: „Ja, das sind deine Füße!“ Warum?

Durch Benennen, worauf sich das Kind konzentriert, unterstützen Sie die Selbstwirksamkeit des Kindes, indem es Worte für seine Wahrnehmungen und komplexe Zusammenhänge erhält. Es kann diese Worte zukünftig auch selbst benutzen, es weiß zunehmend, wovon Sie sprechen. Dieser wichtige Entwicklungsschritt, lässt das Kind die Welt um sich herum verstehen und wissen, was es erwartet.

4. Aktionen begleiten
Spielaktionen, die hin- und herwechseln, lieben Kinder. So etwa das Dinge-Fallen-Lassen und Aufheben-Spiel. Bleiben Sie geduldig, spielen Sie mit und geben Sie dem Kind die Chance zu antworten. Denn gerade das Abwarten ist entscheidend. Kinder brauchen Zeit für ihre Reaktionen, besonders wenn sie so viele Dinge auf einmal lernen. Das Warten hilft, die Abwechslung aufrechtzuerhalten. Begleiten Sie das Spiel z. B. mit „Bitte  – Danke!“ Warum?

Beim Abwechseln lernt ein Kind, sich selbst zu kontrollieren und mit anderen auszukommen. Indem Sie warten, geben Sie dem Kind Zeit, seine eigenen Ideen zu entwickeln, sein Selbstvertrauen zu stärken und Unabhängigkeit zu erfahren. Sich einen Moment zurücklehnen hilft Ihnen auch, sein bedarfsgesteuertes Verhalten zu verstehen.

 

5. Spielende/Spielanfang
Kinder signalisieren, wenn sie fertig sind oder zu einer neuen Aktivität übergehen wollen. Sie lassen vielleicht ein Spielzeug los, nehmen ein neues auf oder drehen sich um, um etwas anderes zu betrachten oder sie gehen weg, fangen an, sich aufzuregen. Wenn Sie die Aufmerksamkeit des Kindes teilen, werden Sie merken, wann es bereit ist, die Aktivität zu beenden und etwas Neues zu beginnen. Warum?

Wenn Sie dem Kind die Möglichkeit bieten, die Führung im Spiel zu übernehmen, unterstützen Sie es dabei, seine Welt zu erforschen, und Sie als Mutter und Vater haben mehr Gelegenheiten, sich wechselseitig mit dem Kind in Form des Dialogischen Echos zu begegnen.

Doch welche Methode der Interaktion empfehlen Wissenschaftler?

ZEIT für BEZIEHUNG, PFLEGE und ZUWENDUNG

Während Eltern ihr Kind umsorgen, es ernähren, baden, pflegen und es in den Schlaf begleiten, ist es wirkungsvoll diese Begegnungen dafür zu nutzen, um das Baby zu halten, mit ihm zu sprechen oder es einfach nur zu beobachten. Bei diesen Alltäglichkeiten haben sie die Möglichkeit sein Naturell und individuelle Unterschiede von Beginn an zu verstehen, auf das Kind einzugehen und zu reagieren. Diese einfache Methode der Interaktion verführt alle, die sich für das Kind verantwortlich fühlen, zu ersten Zwiegesprächen mit dem Baby. Bei jeder dieser Begegnungen werden die Nervenverbindungen fester verknüpft, umso intensiver und feinfühliger sie dabei vorgehen.

Kindererziehung 6a - Foto iStock©aywan88Kindererziehung 7a - Foto iStock©aywan88Kindererziehung 8a - Foto iStock©aywan88

Das Baby HALTEN
Mütter und Väter, die ihr Baby im Arm halten, tragen dazu bei, dass sich seine Atmung, Temperatur, Herzfrequenz, Verdauung und sogar sein Weinen reguliert. Die empfundenen Gefühle werden mit Hilfe der Nervenzellen im Gehirn verknüpft. Macht das Baby häufige, wiederkehrende, beruhigende Erfahrungen mit seinen Eltern, lernt es nach und nach sich selbst zu regulieren.

Gut zu wissen: Kein Baby schreit, um seine Eltern zu ärgern oder weil es verwöhnt ist. In den ersten Monaten haben Babys keine zuverlässige Kontrolle über ihr Weinen. Ihr Beruhigungssystem im Gehirn muss erst heranreifen. Der Erwerb einer Kontrollfunktion für die spätere Selbstregulation von Affekten wie z. B. Freude oder Wut ist erst im vierten Lebensjahr möglich.

Mütter und Väter, die sich ihrem Baby zuwenden, während es in ihren Armen liegt, regen das Gehirn des Kindes an, sich engmaschig zu vernetzen. Je feinfühliger sie dabei vorgehen, umso mehr positive Anregungen erhält das Gehirn. Wenn es gurrt und gluckst können sie einfach nur mit ihm reden, indem sie laut darüber nachdenken, was es ihnen wohl sagen könnte. Wenn es sich aufregt, können sie es beruhigen, indem sie seine emotionalen Bedürfnisse befriedigen, es nah bei sich halten, es auf dem Arm hin- und herwiegen oder mit ihm auf- und abgehen. Wenn sie ihm eine Geschichte erzählen oder vorlesen, ein Lied vorsingen oder summen werden in jedem dieser Momente viele Glücksgefühle und positive Hormone ausgeschüttet.

Das kindliche Gehirn explodiert förmlich vor Aktivität, denn
es hört Sie, sieht Sie, riecht Sie und fühlt Sie – seine wichtigsten Bezugspersonen.

Die Gehirnzellen, die für diese Sinneseindrücke verantwortlich sind, befinden sich in verschiedenen Teilen des Gehirns, aber sie werden alle gleichzeitig abgefeuert.

Gut zu wissen: Neuronen, die häufig zusammen feuern, verdrahten sich schließlich miteinander. Und je mehr dieser Gefühlsneuronen zusammen feuern, desto stärker werden die Verbindungen, wie ein gut ausgetretener Wanderweg.

Mütter und Väter, die häufig mit ihrem Baby in Beziehung treten, mit ihm Zeit verbringen und ihm körperlich nah sind, haben es durch Beobachten leichter seine Körperzeichen wahrzunehmen, zu benennen, anzuerkennen und entsprechend zeitnah zu reagieren. Über ihre Körperhaltung, Gestik, Blickkontakt und ihren Körpergeruch kommunizieren sie auch ohne Worte und regen alle Sinne an. – Ein Festmahl für das Gehirn.

Gut zu wissen: Je mehr Sie sich auf dieses Abenteuer einlassen, Sie empfindsamer gegenüber der Empfindsamkeit Ihres Kindes sind und Sie ungestörte Zeit mit ihm verbringen, desto mehr wissen Sie von ihm. Und obwohl manche Babys leichter zu verstehen sind als andere, beobachten Sie dennoch weiter und probieren Sie verschiedene Dinge aus, bis Sie herausfinden, was für Ihr Kind gut ist.

Dabei gibt es einen positiven Nebeneffekt: Forscher haben herausgefunden, dass sich allein durch einen häufigen, intensiven Augenkontakt die Gehirne von Mutter und Kind synchronisieren. Das bedeutet das z. B. in Spielsituationen das Baby der mütterlichen Empfehlung besser folgt – je besser der neuronale Gleichtakt war.

Shop-Tipp

Wie kann frühe Förderung aus Sicht der Entwicklungspsychologie gelingen? Wie können Eltern mit ihren Kindern stressfrei leben? Welche Rolle spielen dabei die kindlichen Grundbedürfnisse wie liebevolle Zuwendung, Vertrautheit, Verlässlichkeit und Zugehörigkeit für den Aufbau einer sicheren Bindung? Was brauchen Kinder, um ihre vielfältigen Anlagen, Interessen und intellektuellen Fähigkeiten bestmöglich entwickeln zu können? Dieses Büchlein hilft allen, die mit Kindern leben oder zu tun haben, zu einem tieferen Verständnis für die Kinder, die Ihnen anvertraut sind.

Forschung & Wissenschaft

TED-Talks zu Elternschaft, Erziehung und Bildung „Benutze dein Herz, um das Gehirn deines Babys aufzubauen“ (Englisch), Vonda Jump Norman, Wissenschaftlerin am Department of Social work, Sociology and Anthropology at Utah State University

TED-Talks zu Elternschaft, Erziehung und Bildung (Englisch), Serve and Return: How Every Child can Thrive by Five,„Das Kuckuckspiel (engl.: Peekaboo) ist so viel mehr als nur ein Spiel“, Molly Wright, 7 Jahre alt, Novak Djokovic Foundation

„In den ersten drei, vier Lebensjahren muss man das Kind empathisch und liebevoll begleiten“, Jesper Juul, Familientherapeut, und Gerald Hüther, Neurobiologe, im Gespräch über Kindererziehung und „Was Kinder und Eltern brauchen„.

Forscher von der University of Cambridge haben herausgefunden, dass sich allein durch einen häufigen, intensiven Augenkontakt die Gehirne von Mutter und Kind synchronisieren. Das bedeutet, dass z. B. in Spielsituationen das Baby der mütterlichen Empfehlung besser folgt, je besser der neuronale Gleichtakt war. Deutsche Beschreibung des Themas Babys: Mit Mama im neuronalen Gleichtakt auf wissenschaft.de

Bildung ist Chefsache – eine Angelegenheit mit Herz und Verstand.

Wie gut das Gehirn eines Kindes verdrahtet ist, hängt von verlässlichen Bezugspersonen, die das Wissen, die Intuition und die Kapazität haben, das Aufwachsen und die Entwicklung des Kindes zu begleiten und es hängt von seinen Interaktionen mit ihnen ab. Jede Plauderei, jedes Spiel- und Spaßerlebnis stärkt die Beziehung zwischen Eltern und Kind und die geistige Gesundheit. Wenn die Verbindung unverhofft abreißt, verursacht das jedes Mal Verwirrung und Stress, denn Kinder sind darauf programmiert sinnvolle Verbindungen zu suchen. Alles was in ihr Gesichtsfeld kommt, wird intensiv fokussiert, weil dies ein unbewusster Lernmotor ist. Unterschiede bzw. Neues nehmen Babys ab Geburt sofort wahr.

„Beziehung und Gespräch, Liebe und Haltung zum Kind ergeben ein Mosaik elterlicher und kindlicher Interaktionsmöglichkeiten, auf dem Erziehung und Bildung erst möglich werden“, schreibt Ursula Horsch. Die Pädagogikprofessorin erforschte, wie die allerersten Dialoge die frühkindliche Bildung beeinflussen.

Kinder ähneln in ihrem Aussehen zwar ihren Eltern, aber die Ausprägung ihrer Persönlichkeit wird stark von Umweltfaktoren beeinflusst. Stehen Mutter und Vater nur eingeschränkt oder gar nicht zur Verfügung, kann auch eine andere Person, zu der sich das Kind hingezogen fühlt, eine tiefergehende Beziehung entwickeln. Vorzugsweise seien hier engere Familienmitglieder wie die Großeltern genannt. Aber auch eine verantwortungsvolle Person außerhalb der Familie, die auf Dauer auf die Bedürfnisse des Kindes eingeht, kann ein liebevolles, vertrauensvolles Verhältnis zu dem Kind (selbst zu einem Neugeborenen) aufbauen und mit ähnlichem „Erfolg“ in einen lebhaften, das Kind begeisternden und daher fördernden Dialog einsteigen.

Erst die Erfahrung positiver verlässlicher Beziehungen prägt maßgeblich die Fähigkeit zum Aufbau zwischenmenschlicher Beziehungen und sozialer Verbindungen – die Grundvoraussetzung für die Entwicklung von Vertrauen [auch „Urvertrauen“ genannt], Selbstwertgefühl, Empathie sowie Fähigkeiten zum Interessenausgleich und zur Stressbewältigung. Zu diesen Ergebnissen kommen wissenschaftliche Studien aus unterschiedlichen Feldern wie etwa der Bindungstheorie, Psychologie/Psychiatrie, Neurophysiologie und der Hirnforschung.

Eltern bilden ihre Kinder mit Herz und Verstand, denn sie wünschen sich für ihr Kind ein Leben voller erfüllender Beziehungen, Glück, Erfolg und Sinnhaftigkeit und sie wissen: Das Gehirn ihres Kindes braucht Bindung, Liebe, gemeinsame spielerische Begegnungen und Zeit für Erziehung, Pflege und Zuwendung.

Bereits Johann Wolfgang von Goethe [1749-1832] hat gesagt:

Überall lernt man nur von dem, den man liebt.

Wenn Eltern Hilfe bei der Erziehung ihres Kindes brauchen, sollte die Gesellschaft dies als Chefsache ansehen und ihnen diese Hilfe zukommen lassen und dies bereits vorausschauend, präventiv. Prof. W. Thomas Boyce, Forscher, Kinderpsychologe und Autor schreibt in dem Buch „Orchidee oder Löwenzahn – Warum Menschen so unterschiedlich sind und wie sich alle gut entwickeln können“:

Kinder reagieren […] auf Stressoren in der Familie, ökonomische Notsituationen, rigide Erziehung, Erziehung nur durch ein Elternteil, verarmte Wohngegend, Gewalt, Misshandlung, Vernachlässigung und Missbrauch.

Die Zuwendung verlässlicher Bezugspersonen und der Aufbau einer engen Eltern-Kind-Bindung von Anfang an sind für Kinder elementar. Auf dieser Grundlage entwickeln sich stabile, selbstbewusste und prosoziale Persönlichkeiten, deren Krankenakte so dünn ist, dass sie den Widrigkeiten des Lebens mit mehr Wohlbefinden, besserer Gesundheit und höherer Leistungsbereitschaft trotzen.

Dr. Michael Lamb, The Role of the Father in Child Development, Wiley, New York, 1997

Serve and Return, 5 Steps for Brain-Building, Center on the Developing Child, Harvard University

Emmi Pikler/Anne Tardos u.a.: Miteinander vertraut werden, Herder-Verlag

W. Thomas Boyce, Professor für Pediatrie und Psychiatrie an der University of California: Orchidee oder Löwenzahn? Warum Menschen so unterschiedlich sind und wie sich alle gut entwickeln können, 2019

Eva Rass, Professorin für Analytische Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapie: Bindung und Sicherheit im Lebenslauf, Psychodynamische Entwicklungspsychologie, Klett-Cotta

Prof. Dr. Ursula Horsch, www.spektrum.de/magazin/zwiegespraech-mit-einem-baby/1133481

Prof. Dr. Gordon Neufeld: Unsere Kinder brauchen uns, Gabor Maté, Genius-Verlag, 2006

Dr. Erika Butzmann: Sozial-kognitive Entwicklung und Erziehung. Impulse für Psychologie, Erziehungswissenschaft und Sozialpädagogik, Psychosozial-Verlag, 2020

Dr. Nicole Strüber: Die erste Bindung. Wie Eltern die Entwicklung des kindlichen Gehirns prägen, Klett-Cotta-Verlag, 2016

Was ist uns Familie wert?

In diesem Vortrag schaut Birgit Kelle, Vorsitzende des deutschen Vereins Frau 2000plus e.V. und im Vorstand des europäischen Dachverbandes New Women For Europe (NWFE) mit Sitz in Brüssel, über den Tellerrand hinaus und wirft einen ganzheitlichen Blick auf die Situationen heutiger Familien, ihre Bedürfnisse und Wünsche an Politik und Gesellschaft. Was brauchen Familien, um für ihr Lebenmodell eine wirkliche Wahlfreiheit zu haben? Wie können wir den Zusammenhalt der Gesellschaft stärken? Und was sind die Interessen kleiner Kinder?

Quelle: www.youtube.com/watch?v=nQvWiKtQKHI
Video-Vorträge aus der Serie „Wissen fürs Leben“ des Youtube-Kanals der AK-Vorarlberg, 07.10.2014

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