Keine Angst Mama

Jeannine Mik, Sandra Teml-Jetter
Keine Angst, Mama!
Wie Eltern Ängste und Sorgen überwinden und Kinder selbstbewusst begleiten
Kösel-Verlag, München
ISBN‎ 978-346631157
240 Seiten
18,00 Euro

Angst ist kein guter Ratgeber? – Manchmal schon.

Angst als Buchthema? Da könnte man sich zunächst denken: Das betrifft mich doch nicht. Dabei ist die Angst als starke und mächtige Emotion tief in uns verankert. Sie begleitet uns durchs Leben, kann Entwicklungen hemmen und uns unruhig und unzufrieden machen. Dadurch wird auch die Beziehung zu unseren Kindern beeinflusst. Die Angst kann uns aber auch helfen, indem sie sich zeigt und uns klar macht, dass wir etwas verändern müssen. Dass wir Wege finden können aus der Angst heraus. Denn tun wir das nicht, wird sie weiter zunehmen und uns irgendwann zur Veränderung zwingen. Und dafür ist die Angst ein wertvolles Signal.

In ihrem neuen Buch beschreiben die Autorinnen Jeannine Mik und Sandra Teml-Jetter, wie uns Angst im Alltag begleitet. Zugleich bieten sie Lösungsmöglichkeiten im Umgang mit Ängsten. Diese können jedoch nur eine erste Hilfestellung sein und ersetzen keine professionelle therapeutische Begleitung, wie die Autorinnen gleich zu Beginn darauf hinweisen. Es ist als „Ermutigungsbuch“ gedacht, um Eltern auf ihrem Weg der möglichen Veränderung zu unterstützen. Verschiedene aufgezeigte Übungen helfen bei der Erkundung unserer bisherigen Umgangsweisen mit Angst. Wovor habe ich eigentlich Angst? Und welche verankerten, inneren Überzeugungen stecken dahinter?

Auf dem Weg zu sich selbst

Jeannine Mik ist Mentorin und diplomierte Kommunikationstrainerin. Sie hat das „Zentrum für bewusste Elternschaft“ gegründet und arbeitet erfolgreich als Bloggerin auf Mini und Me. Sandra Teml-Jetter ist Einzel- und Paarcoach und berät Eltern und Familien in ihrer Praxis, der „Wertschätzungszone“. Beide haben bereits gemeinsam ihr erstes Buch „Nicht schreien, Mama“ verfasst.

Das Buch ist in drei Abschnitte unterteilt, die sich auch in unterschiedlicher Reihenfolge lesen lassen. Der erste Abschnitt befasst sich mit der Angst und unserem Umgang damit. Im zweiten finden die Leser Unterstützung, um ihre Kinder selbstbewusst zu begleiten. Der dritte Teil beschäftigt sich mit unseren inneren Bildern und Glaubenssätzen, die als festgefahrene „Denkschablonen“ , vgl. S. 7, auf uns wirken.

Auch die Autorinnen waren früher in ihrer Angst gefangen und haben gemerkt, dass Veränderung nötig ist. Zu Beginn schildern beide ihren Weg aus der Angst, hinein in ein neues, selbstbewussteres Leben. Jeannine Mik beschreibt ihre Situation als stetige Sorge, durch die „angsterfüllten Gedanken in Horrorszenarien zu gleiten“, S. 17. Mithilfe von Büchern und einer Psychologin konnte sich die Autorin aus der Spirale befreien. Dazu gehörte eben auch, Menschen zu enttäuschen, Stellung zu beziehen und ihr Bauchgefühl sprechen zu lassen. Sandra Teml-Jetter war durch ihre Kindheit zur „angepassten Gefallerin“, vgl. S. 22,  geworden, wollte es allen recht machen und konnte nicht zu sich stehen. Sie fand ihren Weg durch Körperarbeit und lernte, sich wieder zu entspannen.

Sichtbare Ängste durch Elternschaft?

Ängste begleiten uns durchs Leben. Mit der Elternschaft verändert sich nochmals unser Erleben. Alles wird auf den Kopf gestellt. Wir müssen in die Elternrolle hineinfinden und entdecken plötzlich auch Seiten an uns, die neu sind und Unbehagen verursachen. So etwa Ängste um unser Kind, die wie aus dem Nichts auftauchen. Kinder sind Entdecker und probieren sich aus. Und unerwartet merken wir, dass wir an eine Grenze kommen. „Das Kind könnte stürzen und sich schwer verletzen“, „jemand von uns könnte schwer krank werden“, „mein Kind findet niemals Freunde“ sind nur einige von den beklemmenden Gedanken, die in uns geistern können.

Auch die Beziehung zu den Eltern wird in Frage gestellt und neu durchdacht. Mit dem eigenen Kind und den eigenen Eltern als Großeltern verschieben sich bisherige Rollenmuster. Vielleicht tauchen plötzlich diffuses Unwohlsein und Ärger in uns auf. Gefühle, die wir bisher gut wegdrücken konnten. Und dies sehen die Autorinnen als großen Vorteil der Angst.

Das Elternsein lässt alte Gefühle hochkommen, an denen wir wachsen können.

Indem wir uns diesem Ärger und den unguten Gefühlen stellen und dadurch selbstbewusster werden, können wir es schaffen, uns im Sinne unseres Kindes zu positionieren. Auch wenn wir damit vielleicht die Erwartungen der Großeltern enttäuschen.

Kinder lesen in uns, sie sehen unser Verhalten und ahmen nach, was wir ihnen vorleben, mehr als uns bewusst ist.

Wie können wir alte Muster aufbrechen?

Im Buch finden sich in jedem Abschnitt Übungen, die prozessbegleitend ausprobiert werden können. Dadurch können die Leser herausfinden, was ihnen eigentlich Angst macht und wie sie mit dieser Angst besser umgehen können. Ehrlichkeit ist dabei unerlässlich: sich ehrlich zu fragen, was bisher ausgehalten wurde, obwohl es nicht guttut. Oder welche inneren Überzeugungen und Glaubenssätze uns in der Entwicklung ausbremsen. Meist beginnen diese Sätze mit „das darf man nicht“, „das macht man nicht“ oder „gute Eltern sollten …“. Solche Überzeugungen sind alte, erlernte Muster, die uns in der Kindheit eingeprägt wurden.

„Wenn Kinder in unser Leben treten, sprechen sie eine Einladung aus. Sie fragen uns, wer wir wirklich sind. Wir sind nun gefordert, das endlich herauszufinden.“, vgl. S. 78.

Diese schönen Sätze beschreiben, wie genau Kinder uns und unser Verhalten studieren und auch spiegeln. Die Autorinnen sprechen hier von Differenzierung, einem inneren Gleichgewicht, das uns auch in konfliktbeladenen Situationen authentisch bleiben lässt. Ein hohes Maß an Differenzierung befähigt uns „eigenständiger und zugleich kooperationsfähiger zu werden.“, vgl. S. 89. Dazu gehört es auch, die Emotionen unserer Kinder zu begleiten, ohne dabei zu tief mitzufühlen. Die Emotionen der Kinder auszuhalten, ist nicht immer einfach für uns Eltern, besonders wenn diese stark ausgeprägt sind.

Die Angst besiegen, ein lohnender Weg

Klingt nach einem langen und vielleicht schwierigen Weg? Ja, auf jeden Fall. Aber ein lohnender. Und dieses Buch unterstützt uns dabei. Anhand der Übungen kann eine erste Bestandsaufnahme gemacht werden. Wo stehe ich denn? Was treibt mich an? Welche Ängste hemmen mich? Wer schon mal spürt, dass eine Veränderung nötig ist, hat den ersten Schritt gemacht. Wie der Weg weiter geht, ist individuell und kann von uns gestaltet werden.

Besonders einprägsam war für mich persönlich die Fantasiereise zu meinem inneren Erwachsenen. Ein sicherer Ort, der uns Kraft und Ruhe spenden kann. Im Alltag oder in schwierigen Situationen fehlt uns manchmal der Zugang zu diesem Ort. Er ist aber da und in uns. Ich habe mir fest vorgenommen, ihn öfter zu besuchen. Mit diesem Fazit lege ich allen Eltern, die spüren, dass eine Veränderung nötig und möglich ist, dieses Buch ans Herz.

von Vanessa Welker

Jeannine Mik © Julia Spicker Photography

Über die Buchautorin: Jeannine Mik

ist als diplomierte Kommunikationstrainerin in der Erwachsenenbildung tätig und Gründerin des »Zentrums für bewusste Elternschaft« in Wien. Sie bloggt seit 2014 auf Mini and Me, einem der erfolgreichsten Eltern-Blogs in Deutschland und Österreich. – www.mini-and-me.com

Sandra Teml-Jetter © Julia Spicker Photography

Über die Buchautorin: Sandra Teml-Jetter

ist Einzel- und Paarcoach sowie Eltern- und Familienberaterin mit zahlreichen Weiterbildungen, u. a. bei Jesper Juul und David Schnarch. Sie arbeitet in ihrer eigenen Familienberatungspraxis »Wertschätzungszone« und tritt nachhaltig für den emotionalen Klimawandel in Familien ein. www.wertschaetzungszone.at, www.mini-and-me.com