Bindung – das Band der Liebe - Foto © AdobeStockDie frühe Eltern-Kind-Bindung beschreibt Dr. Rainer Böhm, Leitender Arzt des Sozialpädiatrischen Zentrums Bielefeld Bethel, in seinem Beitrag „Der soziale Klimawandel“ als bio-psycho-soziales Band und sagt:

„Man kann dieses hoch bedeutsame Band zerschneiden, durch Verlust eines Elternteils aufgrund von Trennung oder Tod. Das Band kann porös werden durch Misshandlung, Missbrauch oder belastete familiäre Umstände. Man kann es aber auch dehnen oder überdehnen, so dass es wichtige Teile seiner Funktion verliert, zum Beispiel durch zu frühe oder zu lange Trennungen.“

Wie dehnbar ist das Band der Liebe?

Wann ist aber die Trennung für ein Kind zu lang? Wann wird das Band der Liebe überstrapaziert, so dass die Beziehung zwischen Eltern und Kind leidet und welche entwicklungsbedingten Folgen können sich zeigen? Die Beantwortung solcher Fragen ist umso schwerer, da Kleinkinder nicht mit Worten sagen können: „Jetzt wird es mir zu viel, ich kann nicht mehr, ich will zu Mama und zu Papa!“

Helfen kann hier eine feinfühlige zugewandte Bindungsperson, die die Bedürftigkeit des Kindes erkennt und entsprechend handelt. Hilfreich ist hier ein Betreuungsbudget für Eltern zur Verfügung zu stellen, so wie es der Deutsche Familienverband e. V. seit Jahren vorschlägt. Eltern könnten auf diese Weise entscheiden, ob sie selbst ihr Kind betreuen, eine Tagesmutter einbeziehen oder ob sie es in die Obhut einer Krippe geben. Fred Jung, Unternehmer und Gründungsgesellschafter der juwi AG, sagt:

Die Familie ist die Keimzelle unserer Gesellschaft und der Entwicklung unserer Kinder. Es ist ein Vorrecht, Kinder zu erziehen und ihnen Werte für eine lebenswerte Zukunft mitzugeben. Deshalb ist die Frage der Unterstützung der Familien zur Erziehung und Betreuung unserer Kinder eine der wesentlichen gesellschaftspolitischen Fragen.

Die juwi AG hat seit 2009 einen eigenen Betriebskindergarten, in dem zurzeit 75 Kinder betreut werden. In den Krippengruppen orientieren sie sich an den pädagogischen Ansätzen von Emmi Pikler, die der Beziehungspflege und dem achtsamen Umgang miteinander eine besondere Bedeutung beimaß. Eine hohe Flexibilität in der Betreuung verbessert die Work-Life-Balance der Mitarbeiter und wirkt sich positiv auf das Betriebsklima aus, da die Kinder auch sichtbar im Betrieb sind – so etwa, wenn sie zu Ostern und ähnlichen Anlässen kleine Lieder singen, wie Fred Jung zu berichten weiß.

Genährt wird das bio-psycho-soziales Bindungsband durch das Hormon Oxytocin, wie die Neurobiologie in Studien nachweislich belegt. Oxytocin – auch als Glückshormon bekannt – spielt eine fundamentale Rolle in der Regulation des menschlichen Sozialverhaltens laut Rainer Böhm.

Oxytocin beruhigt und entspannt, löst Angst, stößt Heil- und Lernprozesse an, fördert Vertrauen, unterstützt die Fähigkeit, soziale Signale korrekt zu deuten und verbessert damit die soziale Interaktion, senkt den Blutdruck und den Cortisolspiegel und zeigt somit hervorragende stressabbauende Wirkung. Oxytocin wird vor diesem Hintergrund auch als „Great Facilitator of Life“, der große Unterstützer des (guten) Lebens, bezeichnet. [1, 2]

Wenn wir den „gemeinschaftsfähigen, sozial-kompetenten, liebevollen, empathischen Mensch“, wie er in Leitlinien und Gesetzen vielfach genannt wird, als höchstes Bildungsziel für die frühe Kindheit anstreben, sollten wir dem Mechanismus, der zur Ausschüttung von Oxytocin führt, unsere höchste Aufmerksamkeit schenken. Nähe und Körperkontakt, die Erfüllung emotionaler Bedürfnisse und sicher gebunden stärkt das Band der Liebe nachhaltig und beschert Kindern viele Glücksmomente. [3]

von Redaktion fürKinder

Quellenangabe

Lesen Sie hier den ganzen Artikel: Der soziale Klimawandel
Erstveröffentlichung in Rubikon, 23. August 2018

Links zum Thema

Körperkontakt – ein elementares Bedürfnis

Papa werden – Die Entstehung des modernen Vaters, Anna Machin, Verlag Antje Kunstmann

Broschüre „Bindung vor Bildung“
Was brauchen Kinder, um ihre vielfältigen Anlagen, Interessen und intellektuellen Fähigkeiten bestmöglich entwickeln zu können? Dieses Büchlein hilft allen, die mit Kindern leben oder zu tun haben, zu einem tieferen Verständnis für die Kinder, die Ihnen anvertraut sind.

Elternkurs: Baustein „Elternliebe“

weitere Informationen

[1] Uvnäs-Moberg K (2011): Die Funktion von Oxytocin in der frühen Entwicklung, in: Bindung und frühe Störungen der Entwicklung, hrsg. von Karl-Heinz Brisch, Klett-Cotta, Stuttgart, S.13-33

[2] Lee HJ et al (2009): Oxytocin: the Great Facilitator of Life. ProgNeurobiol 88(2): 127–151

[3] Roth G, Strüber N (2014): Wie das Gehirn die Seele macht, Klett-Cotta, Stuttgart, S. 123