Familienglück - Foto 123RF © dolgachovJeder Mensch hat eigene Vorstellungen davon, was Glücklichsein bedeutet. Aber was brauchen wir wirklich, um gesund und zufrieden ein erfülltes Leben zu führen? Was bedeutet Familienglück? Im folgenden Beitrag haben wir einmal gewagt, ein „glückliches Baby- und Kinderleben“ aus der Perspektive eines heranwachsenden Babys zu zeigen.

Bevor ich geboren wurde

Über meine zukünftige Familie sagen viele, dass sie eine Bilderbuchfamilie ist. Ich freue mich auf sie! – Mama und Papa haben studiert und verdienen „gutes Geld“. Gerade bauen sie ein Häuschen, weil „ich“ unterwegs bin. Bevor Mama schwanger wurde, haben sie alles gut durchdacht – sich einen Plan gemacht. Mama ist gut in den Arbeitsmarkt integriert. Sie fühlt sich wertgeschätzt und nahezu unabkömmlich und sagt, dass sie nach meiner Geburt gleich wieder in Teilzeit oder mit reduzierten Stunden einsteigen kann.

Papa hat den verständnisvollsten Chef überhaupt und so ist es kein Problem, dass er die beiden Erziehungsmonate splittet und vier Monate lang halbtags arbeiten kann. Dann sei ich ja schon fast 12 Monate alt, und meinem ersten Kitabesuch stünde nichts im Wege. Mama sagt, dass ihr Ansehen steigt, wenn sie dann wieder voll im Job ist, denn „Mütterchen am Herd“ zu sein, sei oldschool. Außerdem finden die beiden es gut, wenn sie gleichermaßen an meiner Erziehung beteiligt seien und ich somit zu Mama und Papa eine emotionale Bindung aufbauen würde.

Jetzt bin ich da!

Jetzt bin ich da, und ich kann euch sagen, dass so eine Geburt ganz schön anstrengend ist. Aber wir beide, meine Mama und ich, haben uns gut erholt, und jetzt kann ich meine Mama auch von außen spüren, hören und genießen. Meine Eltern hatten schon einen Geburtsvorbereitungskurs gemacht, einen Baby-Shiatsu- und Babytalk-Kurs belegt und ein Tragetuch für mich gekauft. Das Häuschen ist auch fertig, und sie haben ein schönes Kinderzimmer für mich eingerichtet.

In meinen allerersten Lebenstagen war es für uns alle noch recht einfach, denn ich habe viel geschlafen, Mamamilch getrunken und mich bemerkbar gemacht, wenn ich mich unwohl fühlte. Sie haben mir dann eine neue Windel angezogen oder mich aus meinem Bettchen geholt und mich getragen. – Und immer, wenn ich einen Wachstumsschub hatte, was ziemlich oft passierte, wollte ich natürlich ganz viel Muttermilch. Da war Mama ein bisschen gestresst. Mit den Wochen klappte das Stillen immer besser, denn wir beide hatten inzwischen Übung. Mama beobachtete mich ganz genau und lernte mich immer besser kennen. Sie hatte sogar den Bogen raus, meine kleinen Geheimzeichen richtig zu deuten und prompt und angemessen darauf zu reagieren. Und ich? Ich fühlte mich zu ihr einfach hingezogen. Vielleicht war ich auch ein bisschen verliebt in Mama, aber auf jeden Fall sind wir ein richtig gutes Team geworden.

Mama geht wieder arbeiten …

Familienglück - Foto 123RF © iordaniaDann wurde ich 4 Monate alt und Mamas und Papas „Aufteilungsplan“ trat in Aktion. Mama sagte morgens: „Tschüss, mein kleiner Spatz“ und dann war sie weg. Papa nahm mich ins Tragetuch und wir turnten durch die Wohnung – mal mit dem Staubsauger und oftmals einfach so. Mamamilch gab mir Papa mit der Flasche und abends und nachts stillte mich Mama. Aber mir gefiel das nicht so richtig, ich vermisste Mama, denn wir waren doch ein so gut eingespieltes Team geworden. Aber Mama war jetzt öfter müde und erschöpft und sagte, dass sie mehr Schlaf brauche, und Papa solle mir doch nachts den Schnuller oder ein Fläschchen geben. Aber das wollte ich nicht. Ich hatte einen anderen Plan, … und dieses Hin- und Her zwischen Mama und Papa machte mich ganz kirre. Jannes, dem Sohn von Mamas Freundin, erging es auch so [1].

Als ich so langsam in das Alter kam und ich bald in die Krippe gehen sollte, wurde Papa immer mürrischer, denn oft konnte er es mir nicht recht machen. Ich glaube, wir schaukelten uns so richtig gegenseitig hoch. Dabei bemühte er sich, so lieb wie möglich zu mir zu sein, massierte meinen Bauch, sang mir sogar etwas vor, aber ICH wollte wieder alles so, wie es anfangs war [2]: mit Mama jeden Tag kuscheln, Mamamilch trinken und sie einfach nur in meiner Nähe haben und sie spüren. Das habe ich ihr auch immer gezeigt, bin ganz oft zu ihr gekrabbelt, wenn sie da war, und sie mit großen Augen angeschaut. Wenn mal etwas Aufregendes passierte, tröstete sie mich immer so schön, so dass ich mich entspannen und ruhig werden konnte.

… und Papa auch

Doch mit meinem ersten Geburtstag war auch das vorbei. Von nun an war ich in der Krippe. Meistens brachte mich Mama gleich frühmorgens hin. Ich war traurig, wollte sie nicht weglassen. In der Bauecke spielte ich dann so vor mich hin. Wenn Mama oder Papa mich später wieder abholten, war ich wütend, weil sie mich so lange allein gelassen haben. Ich hatte Angst, dass sie gleich wieder verschwinden könnten und das konnte ich nicht aushalten …

Mein Plan war ja eigentlich, dass ich mich erst in weiteren ein, zwei Jahren abstillen lasse und dann auch erst mit 3 in die Kita gehe. Bis dahin wollte ich ganz viel mit Mama zusammen sein und mit Papa Quatsch machen und drinnen wie draußen spielen, und zwar ohne pädagogisch wertvolle Lernziele „abzuarbeiten“. Und die Wissenschaftler der WHO unterstützen mich sogar bei meinem Plan, denn Mamamilch ist genau auf meine Bedürfnisse abgestimmt, ich brauche in den ersten 6 Monaten nichts anderes, um mich gesund zu entwickeln und dann noch anderthalb Jahre, auch um die Bindung zwischen mir und Mama zu stärken. Denn um optimal zu einer selbstbestimmten, autonomen Persönlichkeit heranwachsen zu können, brauche ich viel freies Spiel immer mit der Gewissheit, dass Papa und Mama mich beschützen.

Jetzt bin ich 3 und …

Familienglück - Foto 123RF © ivga… so ein Arbeitstag in der Kita ist ganz schön lang und anstrengend. Denn jetzt muss ich ganztägig dort hingehen. Eigentlich macht es ja Spaß mit den Gleichaltrigen zu spielen, aber schon mittags bin ich dann fix und alle, weil das Aufpassen, was die anderen machen und wollen, noch schwer ist. Deshalb gibt es auch oft Streit, aber ich weiß noch nicht, wie man Streit vermeidet. Wenn dann keine Erzieherin hilft, habe ich noch lange Zeit Wut im Bauch. Besonders wenn der Nachmittag so lang wird und ich keine Lust mehr habe zu spielen, bleibt die Wut bei mir.

Und wenn Mama oder Papa mich abholen, dreh ich nochmal ganz doll auf. Vor allem wenn es abends heißt: Es ist Schlafenszeit. Dann hab` ich nochmal Durst oder Hunger, will eine Kassette hören und kann einfach nicht zur Ruhe kommen – meine Gedanken kreisen im Kopf und meine Gefühle schlagen Purzelbäume.

Hier und da kommt so eine kleine Erinnerung in mir hoch, wie schön es in meinen ersten Monaten mit Mama war und mit Papas kleinen Späßchen. Es ist nur ein Gefühl, da ich mich an diese Zeit ja noch gar nicht so richtig erinnern kann …

Aber die Gefühle des Verlassenseins, wenn ich ohne Mama oder Papa in der Krippe bleiben musste, sind stärker als die schönen mit Mama und Papa und das macht mich traurig und ich bekomme immer wieder Angst, verlassen zu werden.

von Redaktion fürKinder

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