Entwicklung der Geschwisterbeziehungen - Foto iStock © Firma V Geschwister begleiten uns ein Leben lang. Sie waren in vielen Momenten dabei, an die wir uns gerne zurückerinnern. Sie standen daneben, als wir uns das erste Mal getraut haben, in die Fahrradpedale zu treten und sie sind mit uns zusammen vom Schlitten geflogen. Sie trösteten uns, wenn wir traurig waren und unterstützten uns, wenn wir Hilfe brauchten. Wir haben die verrücktesten, albernsten und ausgeflipptesten Sachen zusammen gemacht, ohne darüber nachgedacht zu haben, wie das bei anderen ankommt.

Aber sie haben auch die Sandburg zerstört, an der wir stundenlang gebaut haben, uns an Ostern Schokohasen geklaut und in unserem Zimmer mit einem Handstreich unseren Schreibtisch abgeräumt. Sie wollten immer dabei sein, wenn wir alleine mit Freunden spielen wollten. Die Jüngeren haben uns dauernd alles nachgemacht und genervt, sie mussten allerdings auch unsere doofen abgelegten Klamotten tragen. Wir kritisierten und ärgerten sie oft bis zur Weißglut.

All das ist Teil einer normalen Geschwisterbeziehung.

Solange das Negative im Rahmen bleibt und von den Eltern gut aufgefangen wird, kann sich eine lebenslange positive Geschwisterbeziehung entwickeln.

In den folgenden vier Beiträgen dieser Serie erfahren Sie von der Erziehungswissenschaftlerin, Dr. Erika Butzmann, welche Faktoren zu einer gelingenden Geschwisterbeziehung beitragen und welche eher zu Konflikten führen. Zudem werden die Vorteile persönlicher Entwicklung durch Geschwister beleuchtet und ein Erlebnisbericht über „Geschwisterbeziehungen“ gibt Ihnen einen authentischen Einblick. Schauen Sie wöchentlich vorbei, um mehr zu erfahren.

von Redaktion fürKinder

Entwicklung der Geschwisterbeziehungen

Einfluss des Altersabstandes

  • Abstand geringer als 1½ Jahre
  • Altersabstand zwei oder drei Jahre
    Eifersuchtsverhalten

Geschwisterliches Miteinander

  • Konflikthafte Geschwisterbeziehungen
  • Konkurrenzverhalten

Anlässe für Geschwisterstreit

  • Sozial-kognitive Entwicklung
  • Flexibilität des Elternverhaltens
  • Einflüsse, die Geschwisterstreit verstärken und die Beziehung belasten
  • Streit der Eltern

Geschwister – alltägliche Einflüsse und Vorteile

  • Abwesenheit der Eltern
  • Aufmerksamkeit
  • Grenzen setzen
  • Elternverhalten
  • Vorteile persönlicher Entwicklung durch Geschwister

Erlebnisbericht über „Geschwisterbeziehungen

Einfluss des Altersabstandes von weniger als anderthalb Jahren

Entwicklung der Geschwisterbeziehungen - Foto iStock © MNStudioIst der Abstand geringer als 1½ Jahre, ist das Interesse an dem Baby wie an einem Spielobjekt und so gehen die Kinder auch mit dem Neugeborenen um. Dass hier die Eltern aufpassen müssen, liegt auf der Hand. Für die Geschwisterbeziehung und das Eifersuchtsverhalten ist dieser Altersabstand jedoch am besten, weil das ältere Kind noch kein Ichbewusstsein hat, also alles, was um es herum passiert als gegeben annimmt, ohne sich viel darum zu kümmern, was zwischen den Eltern und dem Baby passiert.

Da Einjährige noch in der Bindungsphase an die Mutter stecken, also deren Zuwendung noch sehr brauchen, dürfte nur das eventuelle Fehlen dieser Zuwendung beklagt werden, ohne den Zusammenhang zum Baby zu sehen, denn solche Gedankengänge können die Einjährigen noch nicht leisten.

Das können Mutter und Vater tun

Hier ist es hilfreich, wenn sich der Vater verstärkt um das ältere Kind kümmert, weil er damit die Ablösung von der Mutter unterstützt. Sollte das Einjährige jedoch stark an der Mutter klammern, braucht die Mutter jegliche Entlastung, um beiden Kindern die Zuwendung zukommen zu lassen, die sie momentan benötigen.

Kümmert sich der Vater im ersten Lebensjahr der Geschwisterbeziehung immer um das Kind, das gerade gut auf die Mutter verzichten kann, wird damit unnötiger Stress in der Familie vermieden und die Bindung der Kinder an den Vater gefördert.

So gibt es eine gute Basis für das gemeinsame Aufwachsen beider Kinder, denn wenn das ältere Kind bemerkt, dass das Baby auch Ansprüche an die Eltern hat, hat es sich schon an die Anwesenheit des Geschwisters gewöhnt. Das gemeinsame Aufwachsen ist dann ähnlich wie bei Zwillingen, die Kinder sind sehr aufeinander bezogen und das Miteinander wird durch den biologisch gesteuerten Spielantrieb beider Kinder gefördert.

Wirkung des Altersabstandes von zwei oder drei Jahren

Entwicklung der Geschwisterbeziehungen - Foto iStock © SurkovDimitriWenn der Altersabstand zwei oder drei Jahre beträgt, kann es schwieriger werden.

Zwei- bis Dreijährige stecken in der stärksten Phase der Ichbezogenheit fest und registrieren nun alles, was zwischen Mutter und Baby passiert. So lässt sich Eifersuchtsverhalten kaum verhindern. Dies kann sich direkt auf das Geschwisterkind beziehen insofern, als ihm weh getan wird oder rabiat mit ihm umgegangen wird. Es kommen dann Sätze wie: Können wir das Baby verschenken? Meistens zeigt sich die Eifersucht jedoch gegenüber der Mutter. Das Kind ist dann widerspenstiger, verweigert sich häufiger und stört das Zusammensein zwischen Mutter und Baby.

Das können Mutter und Vater tun

Die Eifersucht wird weniger, wenn die Mutter sich verstärkt um das ältere Kind kümmert. Eine intensive Hinwendung zum Baby wie Schmusen in Gegenwart des älteren Kindes verstärkt sie. Hilfreich ist es hingegen, das Kind so viel wie möglich bei den Pflegehandlungen mit dem Baby einzubeziehen, es um kleine Gefälligkeiten zu bitten und auf Fragen einzugehen. Dabei können Mutter bzw. Vater die Pflegehandlungen mit Worten für beide begleiten. So sind beide Kinder aktiv in das Geschehen einbezogen und abgelenkt von eventuellen negativen Impulsen.

Um sich entspannt und „arbeitsteilig“ den Kindern zuwenden zu können, brauchen berufstätige Eltern eine flexible und familienfreundliche Arbeitszeit bzw. eine Ausweitung der Elternzeit. (Lesen Sie hierzu was dänische Wissenschaftler in einem Realexperiment herausgefunden haben: Bundeselterngeld und Elternzeitgesetz)

Bei dem Altersabstand spielen zwei entwicklungsbedingte Gründe eine Rolle: der eine verstärkt die Eifersucht, der andere entspannt die Atmosphäre zwischen Mutter und Kind.

Verstärkt wird die Eifersucht, wenn besonders die Mutter die Aufmerksamkeit situativ nur dem Baby schenkt. Dies bemerkt ein dreijähriges Kind sofort (auch wenn es das Geschehen nicht sieht) und reagiert verärgert. Der entwicklungsbedingte Grund liegt darin, dass Kinder unter drei Jahren die Aufmerksamkeit der Mutter immer brauchen, weil ihr Ichbewusstsein noch sehr instabil ist.

Ein positiver Aspekt, der eine eifersuchtsbelastete Atmosphäre entspannen kann, ist das Interesse des dreijährigen Kindes für das Baby in einer Phase, wo es zum ersten Mal über sich selbst als Baby nachdenkt. Die Dreijährigen beginnen jetzt, Fragen über ihre Vergangenheit zu stellen, also wie sie als Baby waren. Mutter und Vater können dieses Interesse nutzen, indem sie über Ereignisse aus der „Babyzeit“ des Dreijährigen sprechen und den Bezug auf das Neugeborene herstellen.

von Erika Butzmann

Links zum Thema

Geschwistergeflüster – ein Beitrag aus unserer Kolumne: Menschen(s)kinder

Ein Geschwisterchen für Pauli