Grundsätzlich ist das Interesse des älteren Kindes am Geschwisterkind umso stärker, je sicherer es sich der Zuneigung der Mutter ist.
Je besser das Geschwisterkind sich fühlt, je mehr will es das Baby halten und mit ihm spielen. Dies darf jedoch nur unter Aufsicht der Erwachsenen geschehen, denn die Verlässlichkeit im Hinblick auf richtiges Verhalten bei Kindern unter vier Jahren ist nicht gegeben.
Grundsätzlich müssen sich Eltern darüber klar werden, dass ganz besonders die Zwei- und Dreijährigen aufgrund ihrer Ichbezogenheit kein Verständnis für die Bedürfnisse des Geschwisterkindes haben; deshalb ist auch Eifersucht normal. Kinder in diesem Alter sind noch nicht aufnahmefähig für Argumente der Eltern und nicht einsichtsfähig. Nur unter Wirkung der Gefühlsansteckung und wenn sie sich wohlfühlen ist ihr Verhalten angemessen.
Das kognitive Erfassen der Empfindungen des anderen ist erst möglich, wenn das Kind sich in die Sichtweise des anderen hineinversetzen kann. Das gelingt erst im fünften und sechsten Lebensjahr. (Lesen Sie hierzu den Beitrag „Empathie und soziales Verstehen“)
In dem Maße, wie sich das dreijährige Kind im Kindergarten* wohlfühlt, ist es abgelenkt von der Beziehung zwischen Mutter und Baby. Wenn es sich dort wohlfühlt, freut es sich am Mittag, das Baby wieder zu sehen und beginnt, mit diesem zu spielen. Dabei sollte immer jemand in der Nähe sein. Denn das dreijährige Kind kann noch nicht alles berücksichtigen, worauf es beim Spielen mit dem Baby ankommt. So ist das Kleine in den ersten sechs Monaten noch in der Phase, wo es seine direkte Umgebung erkundet, indem es selbsttätig nach einem Gegenstand greift und seinen Körper dabei einsetzt. Es ist irritiert, wenn ihm ständig Spielsachen vor das Gesicht gehalten werden. Zeigt es Unruhe und keine Freude mehr am Spiel mit dem Großen, braucht es einen Erwachsenen, der ihm aus der Situation hilft. Gleichzeitig benötigt das ältere Kind eine Erklärung, warum das Baby jetzt eine Auszeit braucht. Spielt dann ein Erwachsener mit ihm, wird Stress vermieden und die Eifersucht des Älteren kann im Rahmen gehalten werden.
*Dabei ist für das dreijährige Kind der Beginn des Kindergartens zum Zeitpunkt der Ankunft des Geschwisterkindes ungünstig. Durch die ichbezogene Denkweise des Dreijährigen kann es dazu kommen, dass das Kind sich abgeschoben fühlt. Das würde die Eifersucht verstärken.
Konflikthafte Geschwisterbeziehungen
Mit dem Heranwachsen des Zweitgeborenen entwickelt sich die Geschwisterbeziehung weiter durch das große Interesse des jüngeren Kindes an den Aktivitäten des älteren. In den ersten zwei bis vier Jahren der Geschwisterschaft brauchen die Kinder weitgehend eine Aufsicht, um Konflikte zwischen den Kindern zu regeln, wenn sie dies selbst nicht mehr können. Dabei ist der Zeitpunkt des Eingreifens wichtig. Wenn das jüngere Kind das Spiel des anderen so sehr stört, dass es zu verzweifeltem Geschrei kommt, muss eingegriffen werden. Die unter Zweijährigen können vom Schauplatz entfernt werden, weil sie sich noch gut ablenken lassen. Das ältere Kind registriert die Hilfe der Eltern mit einem beruhigenden Gefühl, so dass seine Geduld in der nächsten Situation länger anhält.
Ebenso ist striktes Eingreifen nötig, wenn das jüngere vom älteren Kind drangsaliert wird. Hierbei ist wichtig, das ältere nicht zu beschimpfen und zu bestrafen. Es genügt eine klare Ansage zum negativen Verhalten und das Trennen der Kinder oder das Wegnehmen eines umstrittenen Spielzeugs. Dann sind die Kinder schnell wieder bereit zum gemeinsamen Spiel. Ein solches Vorgehen fördert die positive Geschwisterbeziehung, weil sich beide Kinder angenommen fühlen.
Konkurrenzverhalten
Mit dem weiteren Heranwachsen des zweitgeborenen Kindes entwickelt sich die Geschwisterbeziehung zu einem eher gleichrangigen Verhältnis, das unter Konkurrenzdruck gerät. Sie konkurrieren dann in Bezug auf die Eltern um die gerechte Verteilung von Zuneigung, Anerkennung und materielle Versorgung. Dies steht für beide Kinder im Mittelpunkt und ist weiterhin Anlass für Eifersucht, Neid und Streit, wenn es den Eltern nicht gelingt, diese begehrten Dinge gerecht und fair zu verteilen.
Das brauchen Mütter und Väter
Eltern sind für die Vermeidung von Geschwisterkonflikten besonders gut geeignet. Als Eltern kennen sie ihre Kinder am besten und können sich in ihre Gefühlswelt einfühlen. Um kreative Lösungen zu entwickeln und eine entspannte Familienatmosphäre zu schaffen, benötigen sie jedoch ausreichend Zeit mit ihren Kindern. Diese Zeit ist jedoch oft knapp, da ein oder beide Elternteile aufgrund ihrer Berufstätigkeit große Teile des Tages nicht verfügbar sind. Die staatliche Unterstützung in Form von Elterngeld, Kindergeld, steuerlicher Entlastung usw. wird häufig als unzureichend empfunden, um Müttern und Vätern die Möglichkeit zu geben, sich ganztägig oder zumindest zeitweise um die Kinder zu kümmern.
von Erika Butzmann
Entwicklung der Geschwisterbeziehungen