Wie Kinder heranwachsen (14) Frühe Trennungen in der Kindheit - eine gesellschaftliche Norm - Foto canstockphoto © koca777Obwohl die Phase noch nicht lange währt, in der sich Eltern um Bindung bemühen, sich intensiver auf das Erleben ihrer Kinder einlassen wollen, sie als Person und Gegenüber respektieren, haben sich in der Moderne die Elternliebe und die Gestaltung der ersten Lebensjahre erheblich verändert, weil die frühe institutionalisierte Erziehung und damit verbundene Frühtrennung der Kleinstkinder von ihren Eltern zur gesellschaftlichen Norm gehören.

Der gesellschaftliche Kontext für das Großziehen von Kindern

Der gesellschaftliche Kontext für das Großziehen von Kindern baute auf die primäre Bindung an die natürliche Autorität und Intuition der Eltern, also an diejenigen, die für das Kind verantwortlich sind, ohne dass wir darüber nachdachten. Er ist/war im wahrsten Sinne des Wortes eingewoben in unsere Vorstellungen über das Menschsein, existierte innerhalb unserer Kultur immer unsichtbar. Die „Notwendigkeit“ früher Fremdbetreuung, die zunehmend selbstverständlich als zum Aufwachsen gehörend angesehen wird, geht primär nicht von den Bedürfnissen der Kleinkinder aus.

Der kanadische Entwicklungspsychologe und Bindungsforscher Gordon Neufeld betont, wenn wir in unserer postindustriellen Gesellschaft mit ihren Erziehungs- und Bildungsmodellen diesen Kontext nun verlassen, weil wir Säuglinge und Kleinstkinder vorzeitig von ihren primären Bezugspersonen trennen – egal ob sie gut oder böse waren, vollzieht sich unbemerkt ein Wandel, dessen Folgen wir noch nicht abschätzen können. Diesen Umstand sollten wir uns unbedingt vergegenwärtigen, um seine „Normalität“ angemessen beleuchten zu können.

Die Entscheidung, wie viel Zeit eine Gesellschaft den Kindern gewährt, sich so an ihre Eltern zu binden, dass sie im Dialog mit ihnen ein inneres primäres Objekt aufbauen, um sich selbst und die Welt kennen zu lernen, wird bestimmt durch die kulturellen Maßstäbe und den Lebensstandard.

Selbst wenn heutzutage deutlich günstigere und kindorientiertere Bedingungen den Krippenalltag prägen, müssen wir uns darüber klar sein, dass sich die Kinder aus der Bindung mit den „primären Bezugspersonen“ etwas zurückziehen müssen, also ihre Eltern dementsprechend weniger „besetzen“, um die neue Realität bewältigen zu können. In diesem Zusammenhang müssen wir annehmen, dass den „sekundären Bezugspersonen“ für die Entfaltung der inneren Welt ebenfalls eine prägende Rolle zukommt. Inwieweit das Kind seine primären Erfahrungen mit den Erzieher:innen fortführen und erweitern kann oder ob es zu Brüchen, zu äußerer Anpassung kommt, hängt von vielen Faktoren ab. Der Bindungsforscher Richard Bowlby (Sohn von John Bowlby) meint:

Es „müssen sich Fachleute Sorgen machen, dass in vergleichbarer Weise, wenn auch weniger traumatisch und sehr viel schwerer nachweisbar, Säuglinge und Kleinkinder analoge Entwicklungsbeeinträchtigungen (wie Pflege- und Heimkinder) erleiden, weil sie an jedem Arbeitstag für viele Stunden in Gruppen Fremdbetreuung untergebracht sind. Diese Probleme scheinen besonders ausgeprägt für Kinder im Alter zwischen 6 und 30 Monaten zu sein, sobald sie von fremden Menschen anstatt von einer Bezugsperson, die sie gut kennen und der sie vertrauen, versorgt werden. Meine Überzeugung wächst, und wird von vielen im Gesundheitswesen geteilt, dass daraus resultierende Verhaltensauffälligkeiten vielleicht nur die Spitze eines Eisbergs sind, und dem Ganzen verbreitete, unterschwellige psychische Störungen zugrunde liegen, die die zukünftige emotionale Resilienz (Widerstandsfähigkeit) und das spätere seelische Gleichgewicht von Kindern beeinflussen“ [1].

Der stille Kontextwandel der Erziehung

Wie Kinder heranwachsen (15) Frühe Trennungen in der Kindheit – eine gesellschaftliche Norm - Foto iStock © FatCameraDass frühe Fremdbetreuung zum „normalen“ Aufwachsen dazugehört, müssen wir als Ausdruck einer veränderten Auffassung über Elternschaft deuten, die zugleich im selbstverstärkenden Sinne das Elternsein verändert. Man könnte von einem Kontextwandel sprechen, der sich in der DDR bereits vollzogen hatte:

Für die Kindererziehung stehen primär nicht mehr natürliche Beziehungspersonen in der Verantwortung, sondern Institutionen und Experten.

2019 besuchten in Deutschland 35 % der Kinder unter drei Jahren eine Krippe, im ehemaligen Ostdeutschland waren es durchschnittlich 52 % und ginge es nach dem Wunsch der Eltern im ganzen Land, würden es 60 % gewesen sein [Statistisches Bundesamt Destatis 1.3.2019]. In Zahlen ausgedrückt wurden 829.200 Kinder (unter 3 Jahren) fremdbetreut. Gegenüber dem Vorjahr 2019 waren es im März 2020 bereits 10.700 Kinder mehr und der Trend ist steigend. Frühe Fremdbetreuung ist also weder ein Einzelfall, noch findet sie gegen den Willen der Eltern statt. Kinderkrippen können Kinder bereits ab drei Monaten in ihre Obhut nehmen. Lieber haben es die Erzieher jedoch, wenn frühestens ab einem halben Jahr das Kind in die Gruppe kommt.

Die Situation der Eltern

Die meisten Eltern geben ihre Kinder nach dem ersten Geburtstag in die Krippe. Dann endet das regulär bezahlte Elternjahr und vor allem die Mütter der Kleinen suchen neben dem finanziellen Aspekt der Erwerbstätigkeit wieder Anschluss im Berufsleben. Für viele Arbeitnehmer hieße eine dreijährige Pause einen Karriereknick oder nach der Rückkehr ins Arbeitsleben gleich die fristgemäße Kündigung zu erhalten. Unter diesem Blickwinkel streben viele Eltern wieder das Berufsleben an. Möglich ist dies oft nur durch einen Krippenplatz für das Jüngste.

Die Situation in den Krippen

Die einzigen zwei größer angelegten Studien, die es in den vergangenen Jahren über die Qualität in deutschen Kitas gibt, offenbarten alarmierende Missstände: Schon bevor der Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz ab einem Jahr umgesetzt wurde, stellte die Nationale Untersuchung zur Bildung und Erziehung in der frühen Kindheit [NUBBEK 2015] fest, dass lediglich 3,2 % der Kitas für unter 3-Jährige einen guten bis sehr guten Qualitätsstandard aufwiesen [2]. Die DKLK-Studien 2019 und 2020 bezeichneten die Personalsituation in deutschen Kitas als dramatisch, Mehr als 90 % mussten in den vergangenen 12 Monaten zumindest zeitweise mit einer bedenklichen Personalunterdeckung arbeiten, sodass die Aufsichtspflicht nicht mehr gewährleistet war [3].

Ein Großteil der Erzieher:innen arbeiteten an ihrer Belastungsgrenze [4]. In dieser Situation verbrachten und verbringen Babys und Kleinkinder viel Zeit – häufig acht Stunden und mehr – in zu großen Gruppen mit häufig wechselnden Erzieher:innen. Die tatsächliche Fachkraft-Kind-Relation bei unter 3-Jährigen in den letzten beiden Jahren war bei weit über 90 % schlechter als die wissenschaftlich geforderte Zielgröße von 1:3. Insgesamt verschärfte sich der Fachkräftemangel in der Frühpädagogik im letzten Jahr weiter [5]. Aber wissenschaftliche Studien zeigen:

Eine feinfühlige, verlässliche Beziehung zwischen Erzieher:in und Kind ist der zentrale Faktor für eine gute Betreuungsqualität.

Aus entwicklungspsychologischen Gründen ist es daher notwendig, dass die Fachkraft-Kind-Relation von 1:3 für Kinder unter 3 Jahren nicht überschritten und möglichst ohne Betreuerwechsel bei einer Gruppengröße von 6 höchstens 8 Kindern gewährleistet wird [6, 7, 8].

Die Situation der Erzieher:innen

Die grundsätzliche Problematik des Fachkräftemangels wurde in den letzten Jahren vor allem durch die rasche Erweiterung der Krippenplätze, aber auch durch vergleichsweise geringe Bezahlung und anhaltenden Stress am Arbeitsplatz verursacht. Der hohe Krankenstand, die große Fluktuation und das häufige Aufgeben des Berufs sprechen für sich.

Bisher gibt es keine verlässliche Perspektive für eine Lösung des massiven Mangels an Erzieher:innen.

Nach einer Studie des Deutschen Jugendinstituts (DJI) mit der TU Dortmund wird es bis 2025, selbst ohne Qualitätsverbesserungen, voraussichtlich eine Personallücke von insgesamt fast 330.000 Erzieher:innen geben. Wenn Qualitätsverbesserungen eingerechnet werden, wäre es sogar eine Personallücke von insgesamt ca. 600.000 ErzieherInnen. [9]

Wörtlich heißt es in der Studie: „(…) Es wären fast genauso viele, wie es heute schon gibt (…) eine Größenordnung, die unter den heutigen Rahmenbedingungen nicht wirklich vorstellbar ist.” Die Wirkung des Gute-Kita-Gesetzes wird von den Kita-Leitungen als kritisch bewertet, weil oft falsche Prioritäten gesetzt würden. Für die Mehrheit ist das Gute-Kita-Gesetz nur „ein Tropfen auf den heißen Stein” [10]. Aufgrund des Personalmangels mussten u. a. 75 % der Befragten 2019 auf Fort- und Weiterbildung verzichten.

Eine gute Qualität in Krippen hängt hauptsächlich von einer verlässlichen, bedürfnisorientierten Begleitung der Kinder durch die Erzieher:innen ab. Unbenommen ihrer pädagogischen Kompetenz, wie der Fähigkeit zu Empathie, Geduld, Übersetzung der kindlichen Sprache, sind die Erzieher:innen auf Rahmenbedingungen angewiesen, die ihnen ermöglichen, sich sowohl auf einzelne Kinder als auch auf die Gruppe zu konzentrieren.

Sie müssen Zeit und Raum haben, die Kinder kennenzulernen und sich ihnen individuell zuwenden zu können. Nur so sind sie fähig, die Stress-Signale des Kindes zu erkennen und diese möglichst zeitnah und angemessen zu regulieren.

Dies ist unter den derzeitigen Rahmenbedingungen kaum möglich.

Von außen ist die Qualität der pädagogischen Arbeit für Eltern nicht einfach zu beurteilen z. B. ob das Kind als Persönlichkeit wahrgenommen und individuell auf seine Bedürfnisse und Emotionen eingegangen wird.

von Agathe Israel

Szenen aus dem Krippenalltag

Protokoll aus der einjährigen Kleinkindbeobachtung von Michael Poweleit:

Hermann verbringt den Tag in seiner Gruppe der Zwei- bis Dreijährigen. Er ist mit seinen 2 Jahren und einem Monat schon ein erfahrenes Krippenkind, da er seit dem 13. Lebensmonat die Krippe besucht und dennoch können wir miterleben, wie intensiv er die körperliche Nähe und Zuwendung seiner Erzieherin braucht.

10 Uhr: In der Gruppe herrscht großes Geschrei. Mehrere Kinder weinen bitterlich. Hermann befindet sich wie beim letzten Mal zwischen den Beinen von Frau B. (Erzieherin). Er hat den Schnuller im Mund. Es wird mit Kastanien und Pfeifenreinigern gebastelt. Drei oder vier Kinder sind um Frau B. herum, zeigen ihr „Sachen“, wollen Hilfe, sind sehr eifrig dabei. Hermann wirkt eher passiv. In dem kleinen Kreis ist es ruhig, während drum herum viel Lärm und eine weitere Erzieherin stark gefordert ist mit den weinenden und streitenden Kindern. Aber die Atmosphäre ist nicht besonders gespannt, da beide Erzieherinnen Ruhe ausstrahlen. Es ist so turbulent, dass ich Mühe habe, mich auf Hermann zu konzentrieren. Gleichzeitig spüre ich etwas Enttäuschung darüber, dass er wieder mit dem Schnuller im Schoß von Frau B. zu finden ist und denke an ihren „Kampf“ gegen den Schnuller vor einer Woche. Die weinende Gruppe begibt sich in den Toberaum und Ruhe kehrt ein. Frau B. wechselt den Platz. Zunächst reagiert Hermann überhaupt nicht merklich, dann geht er ihr langsam nach und erobert sich (wieder) „seinen“ Platz. Er ist ganz umfangen von Frau B., drückt sich mit dem Rücken an ihren Bauch. Ihre Arme, mit denen sie hantiert rahmen ihn ein. Frau B. ist sehr in Anspruch genommen, muss helfen und aufpassen. Hermann kann die Umarmung offenbar gut vertragen. Er schaut aufmerksam zu. Frau B. ist nicht eindeutig, man sieht, dass sie immer versucht Hermann in Abstand zu ihr zu beschäftigen, dass sie aber auch seinem Bedürfnis nach ihrer Nähe gerne nachgibt. Ich merke, dass ich den Anblick der beiden für sich genommen recht schön finde, aber in mir ist auch so etwas wie: Hier ist doch ein Kindergarten, da sollte doch etwas anderes sein. Für mich sieht es aus, als ob ein kombiniertes Wesen Hermann-Frau B. mit den Kindern bastelt. Als sie erneut den Platz wechselt, folgt ihr Hermann nach kurzem Zögern, als ob er für einen Moment probiert, wie es ist, allein zuzuschauen. Dann entscheidet er sich, wieder zu Frau B. zugehen um von ihr umfangen zu werden. Frau B. versucht ihn in die Bastelarbeit zu integrieren, aber für ihn scheint es das Wichtigste zu sein, zwischen ihren Beinen und Armen zu stehen.

Aus der zweijährigen Kleinkindbeobachtung von Margarete Pardo-Puhlmann:

Ella, 2 Jahre und einen Monat alt, kam mit einem Jahr in die Krippe. So ist ihr diese Umwelt jetzt wohl bekannt.

Ella schlendert mit einer Babypuppe auf dem Arm allein und langsam vor sich hin. Im Gewusel der anderen Kinder wirkt ihr langsames Schlendern wie eine Entschleunigung, ein Ruhemoment im Gegensatz zu der sie umgebenden Lautstärke und Schnelligkeit. Sie hält die Puppe liebevoll und sicher im Arm, wie man auch ein Baby tragen würde, denke ich. Der eine Arm hält die Puppe am Po und unterem Rücken fest, die andere Hand stabilisiert den Nacken und das Köpfchen, was ganz sanft an ihrer Schulter ruht. Sie schaut den anderen Kindergruppen beim Vorbeischlendern zu, wie sie am Tisch sitzen und etwas malen, in der Bauecke sitzen und etwas bauen. Eine Verbundenheit ist mit dem Baby auf dem Arm vorhanden, ansonsten wirkt sie im Raum allein und auch etwas verloren dabei. Ihr Blick ist schon auch suchend nach Anbindung, aber gleichzeitig hat er etwas Resigniertes, drückt er auch eine Art Gewissheit der Unverbundenheit aus, er wirkt ganz und gar nicht gelassen, fröhlich oder leicht. Mit der Puppe auf dem Arm geht sie dann zur Erzieherin Berit, die mit anderen Kindern an einem Tisch sitzt. Ella fragt sie, was sie machen. Berit antwortet, dass sie Ketten machen und fragt, ob sie auch eine machen möchte, was Ella verneint. Sie schuckelt dabei etwas mit ihrem Körper, als wolle sie sagen, ich bin ja beschäftigt mit meinem Baby hier, ich frage nicht, weil ich eine Beschäftigung suche oder brauche. Auf Ellas Nein herrscht Stille. Für Berit hat sich das Gespräch damit erledigt. Ella steht noch einen ganzen Moment da und schaut Berit an, die gleich nach dem Nein wieder still auf ihr Band schaut, auf das sie selber Perlen aufzieht.

Ella dreht sich dann nach einer gefühlten Minute um und geht in die Puppenecke. Sie legt sich da auf das Sofa und holt sich alle umher liegenden Puppen heran, so dass sie letztlich fünf Puppen an ihre beiden Seiten liebevoll hinlegt und sich dann zwischen sie legt. Sie schaut aus dieser Ecke in den Raum und beobachtet immer abwechselnd beide Erzieherinnen. Ella sieht einsam und wie verlassen aus, es ist kein freudiger, aktiver Blick sondern eher traurig beobachtend, resigniert. Sie liegt sehr sehr lange, sicher über 20 wenn nicht sogar 30 Minuten so da. Ab und zu dreht sie sich auch ganz nah an den Kopf von einer der Puppen und schaut sie ganz lange an. Ich habe den Gedanken, die Phantasie, dass es so aussieht, als sehe sie ein echtes Baby an und prüfe, ob es atmet, ihr Blick wirkt dabei so angespannt und irgendwie besorgt horchend. Sie redet dann auch ab und zu in diesen Momenten mit dem Baby, aber in einer Als-Ob-Manier. Ihre Gesichtszüge sind spielerisch verzogen, sie klappt ihre Augen betont zu, ihre Mimik ist sehr betont, so als sage sie etwas Belehrendes, als sei sie die Erwachsene. Ich höre ihre Worte nicht, aber es ist wie eine Art Gesäusel von ihren Lippen abzulesen. Diese Zeit fühlt sich für mich unendlich an.

Nach dieser ganzen Weile hat sie die andere Erzieherin Linda wieder im Visier, sie nimmt sich eine Puppe und eine Puppenjacke aus der Sofaecke und geht zu dieser Erzieherin. Diese sitzt an einem anderen Tisch und hilft den Kindern mit Bauklötzen Garagen für Autos zu bauen, sie sitzt da und gibt verbale Hilfestellungen, wie es geht. Ella geht direkt zu ihr hin, sie behält sie während des ganzen Weges im Blick und fragt, als sie bei ihr ankommt, ob sie helfen kann, die Jacke anzuziehen. Die Erzieherin atmet deutlich, ein wenig genervt anmutend aus, fängt sich scheinbar wieder und zieht der Puppe wortlos die Jacke an. Ella steht daneben und schaut sie dabei an. Der Blick wirkt schüchtern, nicht mehr erwartungsvoll, ich habe das Gefühl, sie erlebt sich nun selber als Störenfried mit ihrem Anliegen. Als die Jacke fertig angezogen ist, übergibt die Erzieherin die Puppe an Ella und dreht sich weiterhin wortlos bleibend um 90 Grad wieder in Richtung Tisch, weg aus Ellas Gesichtsfeld. Ella geht zurück auf ihr Sofa, setzt sich und starrt leer in den Raum. Während sie sich setzt, zieht sie wie mechanisch der Puppe die Jacke wieder aus, ohne auch nur hinzusehen.

Weitere Informationen

Dies ist ein Artikel der Beitragsserie „Wie Kinder heranwachsen – Einsichten, Irrtümer und die Lehren für die Zukunft“. Wenn Sie vor Veröffentlichung der Einzelbeiträge den Artikel in Gänze lesen möchten, finden Sie ihn in unserem Elternkurs im Baustein „Kindheit“.

 

Der Umgang mit den kindlichen Grundbedürfnissen heute und in der Menschheitsgeschichte

  • Vom Schmerz sich zu binden
  • Das Bild vom Kind

Frühe Kindheit: Was erleben und brauchen Kleinstkinder?

Erziehungskonzepte verstehen

  • Die Gleichschaltung von Familie und Institution
  • Die Folgen eines autoritären Erziehungsstils
    1. Die entscheidenden Merkmale der DDR-Erziehungspraxis
    2. Die Auswirkungen der DDR-Erziehungspraxis

Prägende Kindheitserfahrungen

  • Was Kinder zu empathischen Mitmenschen macht
  • Was Kinder antreibt, egoistisch zu handeln
  • Wenn aus Kindern Eltern werden

Frühe Trennungen in der Kindheit – eine gesellschaftliche Norm

  • Der gesellschaftliche Kontext für das Großziehen von Kindern
  • Der stille Kontextwandel der Erziehung
    1. Die Situation der Eltern
    2. Die Situation in den Krippen
    3. Die Situation der Erzieher:innen
    Szenen aus dem Krippenalltag

Krippenalltag und soziale Spannungen durch frühe Trennungen?

  • Stimmen der Eltern

Die Paradoxie der Erziehung

  • Gesellschaftliche Widersprüche

Aktuelle Erziehungstrends

  • Wider besseres Wissen – Unbewusste Motive für den Widerstand
  • Woher kommen die Widerstände?
  • Zukunftsgedanken
[1] Bowlby, R.: Babies and toddlers in non-parental daycare can avoid stress and anxiety if they develop a lasting secondary attachment bond with one carer who is consistently accessible to them. Z. Attachment & Human Development, 2008 ,9/4, S. 307-19.

[2] NUBBEK-Studie: Nationale Untersuchung zur Bildung und Betreuung und Erziehung in der frühen Kindheit. Fragestellung und Ergebnisse im Überblick. Hrsg.: Titze, W., Becker-Stoll, F., Bensel, J., Haug-Schnabel, G., Verlag das Netz, Kiliansroda, 2012.

[3] Israel, A., Geist, G.: Zur Wende in der Frühbetreuung von Kindern. Forum der Psychoanalyse, Bd.36, Heft4, 20020, S.425-432, https://gute-erste-kinderjahre.de/qualitaet-in-kitas/.

[4] Fast 70 % bezeichnen die Arbeitsbelastung als akut gesundheitsgefährdend, Studie des Deutschen Kitaleitungskongresses (DKLK), 2020.

[5] In der Praxisrealität wird häufig der Begriff „Personalschlüssel“ verwendet. Dieser aber lässt außer Acht, dass mind. 1/3 der Arbeitszeit der Erzieher*innen nicht der unmittelbaren Beschäftigung mit dem Kind zu Gute kommt, sondern sich aufgrund von Krankheitszeiten, Urlaub, Fortbildungen, Elterngesprächen, Verwaltungsaufgaben, Dokumentation, Vor- und Nachbereitung, Teambesprechungen, Übergabe und Anleitung von Mitarbeiter*innen deutlich verringert. Daher bildet die Zahl auf dem Papier nicht die Wirklichkeit der realen Fachkraft-Kind-Relation ab.

[6] Böhm, R.: Stress-das unterschätzte Problem frühkindlicher Betreuung. In: Bildung braucht Bindung. Argumente und Materialien zum Zeitgeschehen, 2013, Heft 83, S 27-32.

[7] Beckh, K., et al: Ergebnisse der NUBBEK-Studie zur Qualitätsdimension in der Kindertagesbetreuung. Z. Diskurs Kindheits- und Jugendforschung 2/2015, S. 183-201.

[8] Brisch, et al: Verantwortung für Kinder unter drei Jahren. Empfehlung der GAIMH zur Betreuung und Erziehung von Säuglingen und Kleinkindern in Krippen. GAIMH, Zürich 2009

[9] DJI-Studie (2017) Studie des Deutschen Jugend-Instituts (DJI) mit der TU Dortmund, Autorschaft: Dr. Matthias Schilling, Dr. Christiane Meiner-Teubner, ISBN 978-3-9818832-1-3

[10] Studie des Deutschen Kitaleitungskongresses (DKLK), 2020.

Links zum Thema

Krippenkinder in der DDR. Frühe Kindheitserfahrungen und ihre Folgen für die Persönlichkeitsentwicklung und die Gesundheit, Agathe Israel, Ingrid Kertz-Rühling, Brandes & Apsel

Die Bindungsbedürfnisse von kleinen Kindern

Resilienz – Das Geheimnis der psychischen Widerstandskraft

„Findings for Children up to Age 4 1/2 Years“, Zusammenfassung der NICHD-Studienergebnisse in laienverständlicher Form

Entwicklung der Bindungsbeziehung nach Mary Ainsworth 1964/2003, Entwicklungspsychologin, Fabienne Becker-Stoll, Direktorin des Staatsinstituts für Frühpädagogik in München